September 2011

So denkt und lebt die bewegte Mitte

von Steffen Greschner am 19. September 2011

Das ein Teil der Gesellschaft neue Wege einschlägt, ist am letzten Wochenende auch den etablierten Parteien klar geworden. Wie diese bewegte Mitte lebt, denkt und sich ein selbstbestimmtes Leben organisiert, zeigt ein Projekt am Beispiel der Kreativwirtschaft:

KollWi ist ein frei zugängliches Info-Tool, das Geschichten aus der Wirklichkeit der Kreativwirtschaft sammelt und aufbereitet. Etwa 100 Selbständige und UnternehmerInnen erzählen aus ihrem Berufsalltag und teilen dabei auch Geheimnisse mit. KollWi ist eine Einladung zum Schmökern, mit der Zusage, dass auch für dich interessante Fundstücke dabei sind.

Die Themen der sehr lesenswerten Interviews reichen von Lebensführung, bis zu Organisation oder Erfahrungen mit Co-Working-Spaces. Ohne Wertung  und ohne statistische Erhebungen oder tiefgründige Analysen treffen die Aussagen den Puls der Zeit so oft am besten:

Ich könnte mir gar nicht vorstellen, einen Beruf zu haben, den ich ausübe und ein Privatleben zu haben, das nichts damit zu tun hat. Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Ich würde glauben, dass mein Leben nur noch aus diesen acht oder zwölf Stunden besteht, die ich nicht am Arbeitsplatz bin. So stell ich mir das vor, und ich hab das Gefühl, dass ich 24 Stunden lebe und nicht 24 Stunden arbeite.

Mehr Info gibt es direkt auf Kollwi.at oder bei den Initiatoren des Projektes.

Die bewegte Mitte erobert die ersten Parlamente

von Jochen Krisch am 18. September 2011

Die pluralistische Gesellschaft stellt die etablierten Parteien vor zunehmende Herausforderungen und bietet Chancen für neue Parteien und Bewegungen, die durchlässiger sind und näher am Puls der Zeit agieren können.

Brandeins_bewegtemitte

Wohin entwickelt sich die Gesellschaft? – “Die bewegte Mitte” nannte brand eins unlängst seinen Schwerpunkt zum gesellschaftlichen Wandel (“Mittendurch nach vorn”) und beschrieb, “was die neue Gesellschaft will”:

“Die alte Mitte war dort, wo alle dabei sein konnten. Der neuen Mitte reicht das nicht. Sie liegt dort, wo Menschen ihr eigenes Ding machen.”

Als “der Zukunft zugewandt” charakterisiert brand eins diese so schwer fassbare und ungewohnt aufmüpfige “Mitte” und lässt sich das Phänomen wie folgt erklären:

“Neu ist sie im Vergleich zur hierarchie- und traditionsorientierten Mitte. Während die einen am Bewährten und Erreichten festhalten, machen sich die anderen den beständigen Wandel zu eigen.”

Bei [x Politics] wollen wir diesem gesellschaftspolitischen Phänomen nachspüren, das in anderen Ländern unter dem Label “grünliberal” läuft.

Frauen pushen “Arbeit frei von Zeit und Raum”

von Steffen Greschner am 14. September 2011

“Moderne Zeiten – Arbeiten frei von Zeit und Raum” – Unter diesem Motto haben sich interessierte Unternehmer in Lübeck getroffen. Initiatoren für den Gedankenaustausch waren engagierte Frauen, die sich für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Freizeit und Arbeit einsetzen. Es geht ihnen dabei vor allem um die Rückgewinnung der eigenen Zeiteinteilung:

Wir müssen anfangen, über Arbeitszeitflexibilisierung hinaus zu denken und die Ergebnisse der Arbeit in den Fokus zu stellen. Arbeitszeit und -ort werden in Zukunft eine immer kleinere Rolle spielen. Wenn wir den Menschen die Kontrolle über ihre Zeit zurückgeben, leisten wir einen entscheidenden Beitrag zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, steigern die Lebensqualität der Arbeitnehmer und ihrer Angehörigen.

Auch die anwesenden Experten sahen ebenfalls Trends voraus, in denen es darum geht, die persönlichen Bedürfnisse mit beruflicher Entfaltung und Selbstorganisation zu vereinen:

Das künftige Freizeitverhalten ist gekennzeichnet durch die Kombination verschiedener Aktivitäten zur gleichen Zeit, Zeiteffizienz sowie dem Wunsch etwas erleben zu wollen. Zudem ist eine zunehmende Entgrenzung von Arbeit und Freizeit zu erwarten.

Wie solche Wege schon heute aussehen können, hat die Berner Zeitung in einem Portrait über selbstständig arbeitende Familien skizziert (“ohne Frauen läuft in Firmen nichts”).

Baden-Württemberg goes Open-Government

von Steffen Greschner am 11. September 2011

Nach Schweizer Vorbild zeigt auch die Landesregierung Baden-Württemberg ihre Bereitschaft in Richtung Open-Data und neu verstandener Teilhabe der Bevölkerung zu gehen. Ab morgen wird die Landesregierung unter @RegierungBW einen eigenen Twitter-Kanal befüllen.

Gespannt sein darf man dabei, wie die Ankündigung mit Interessierten über den Rückkanal in direkten Austausch treten zu wollen, in der Realität umgesetzt wird:

“Die Chance ist, dass wir wegkommen von der Einwegkommunikation von oben nach unten”, sagt Berner. Soll heißen: Der Internetnutzer ruft die Seite der Landesregierung auf, liest die Texte dort und klickt zur nächsten Seite. “Wir müssen zu einem echten Dialog von Internetnutzern und Politikern kommen.”

Wie das Facebook-Profil von MP Winfried Kretschmann wird auch der Twitter-Account vom Online-Berater der Landesregierung gefüttert, wie die Stuttgarter Zeitung schreibt:

Die Kommunikations-Experten betreuen schon seit längerer Zeit einen eigenen Kanal auf der Videoplattform Youtube, außerdem pflegen sie das Facebook-Profil des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Mit Erfolg: 5000 Fans hat die Seite mittlerweile. Über das Profil erfahren die Nutzer, wo Winfried Kretschmann gerade geschäftlich unterwegs ist, wem er Interviews gibt und in welchen Talkshows er auftritt.

Initiative S: Senioren bilden aktive Initiativen

von Steffen Greschner am 10. September 2011

Wie die letzten Wochen, wollen wir auch diese Woche kurz einen Blick auf Stuttgart werfen: Was tut sich im Südwesten? Das Bewegungen und Initiativen nicht immer jung aber trotzdem dynamisch sein können, zeigen die Senioren gegen Stuttgart 21.

Ihre Aktivitäten sind dem Alter (und der senilen Bettflucht) angepasst: Ein Frühstück mit einigen Senioren um 5.30 Uhr. Mit Kaffee und Kuchen. Vor der Zufahrt zur Baustelle. Bis die Polizei kommt. Ehrenamtliche Fotografen und Kunstprojekte rund um den Bahnhofsbau gibt es inzwischen auch zur Genüge und so gibt’s auch Bilder vom letzten Montag (via Jensvolle.de):

 

 

 

 

 

Die Selbstorganisation einer modernen Gesellschaft

von Steffen Greschner am 9. September 2011

Was bedeutet Selbstorganisation in Zukunft für jeden Einzelnen? Oft wird das Thema mit To-Do-Listen und Tipps für Freiberufler abgehakt. Ein anderer und ungleich spannenderer Aspekt der Selbstorganisation wurde auf dem Zukunftskongress2020 (2b.Ahead) besprochen: Wie organisieren wir unser Arbeits- und Zusammenleben in der Wissensgesellschaft und was werden in Zukunft die Stützpfeiler unserer Gesellschaft sein?

Auf dem Youtube-Kanal von 2b.ahead sind noch viele weitere sehr interessante Videos zum Thema. Tolle Denkanstöße gibt auch der Beitrag einer ehemaligen Rektorin zu “Warum Hierarchien verschwinden und neue Führungskompetenzen notwendig werden“:

“Wie wollen wir in Zukunft arbeiten?”

von Steffen Greschner am 7. September 2011

“Wie wollen wir in Zukunft arbeiten?” Die Frage beschäftigt uns hier immer wieder. Modelle wie Coworking und Crowdsourcing sind dabei nur ein Aspekt. Wie sich die Arbeitswelt in den nächsten Jahren (in UK) verändern wird, hat sich indexB im Paper 2020 Vision: The Future of Business (PDF) angeschaut:

  • A 20% increase in the number of small businesses by 2020
  • Increased blurring of the business landscape by a number of virtual firms and one-person companies
  • Greater numbers of people with multiple ’jobs’ and businesses
  • Significant downsizing of larger enterprises
  • A new IT era as the PC is overtaken by ’smart’ phones and tablets
  • Rapid emergence of ’M-commce’ (Mobile Commerce)
  • Major shifts in international trading patterns
  • Continued disconnection between banking and businesses for funding and services.

Als großer Trend wird Dezentralisierung und flexible Arbeit gesehen. Bis zu 80% der Angestellten und neu entstandenen Selbstständigen und Ein-Mensch-Businesses werden laut des Papers in Zukunft nicht mehr an festen Arbeitsplätzen arbeiten. Technische Möglichkeiten spielen dabei eine große Rolle:

Face-to-face meetings – for so long a defining characteristic of large organisations – will not be a thing of the past, but they will not be as commonplace as they are today. Many are likely to be replaced by video-conferencing and other enhanced methods of communication.

Zusammenfassend sehen die zwei Autoren für die nächsten zehn Jahre eine der größten Veränderungswellen in der Arbeitswelt (“Ich wette, dass 2021 mehr als die Hälfte aller Arbeitenden keinen festen Büroarbeitsplatz mehr haben.”) seit der Industriellen Revolution:

The report’s primary conclusion is that the years 2011 to 2020 will be a decade as revolutionary as some of the key years of the original industrial revolution of the late 18th and 19th centuries. The main reason for this is technology. What the internet first unleashed 15 years ago, has now grown into an economic tsunami that is transforming the way everyone lives and works - not just the tech-savvy.

Das wirft natürlich zum einen die Frage auf, was wir in Zukunft mit den ganzen leeren Bürogebäuden sinnvoll anfangen können und zum anderen, ob Arbeit weiterhin ein gesellschaftliches Kollektiv erfordert oder nicht vielmehr die Individualisierung gefördert werden sollte.

Eine ausführliche Zusammenfassung des Papers hat der Recruiter geschrieben.

Tauschkreise als treibender Faktor der Wirtschaft

von Steffen Greschner am 6. September 2011

Alternative Währungen und Tauschkreise erscheinen oft als neue Trends und Reaktionen auf die Wirtschaftskrise. In der Wirtschaft sind solche Modelle dagegen schon seit Jahrzenten fest verankert. Ein Berliner Unternehmer (DKG – Deutsche Kompensation) bietet einen Tauschkreis für Selbstständige und Unternehmen.

Die zu tauschenden Waren/Dienstleistungen werden nicht zwangsläufig direkt zwischen den Beteiligten gewechselt, sondern können über eine Art Banksystem bei anderen Partnern des Netzwerkes eingelöst werden. Die Einführung einer eigenen Währung, der DKG-Euros, ist dabei ein spannender Schritt in Richtung alternativer Währungssysteme:

Kompensation ist ein Tauschgeschäft (Bartergeschäft), dass über ein Kompensationskonto abgewickelt wird. Das bedeutet:

  • Kompensieren Sie einen Einkauf, wird Ihr Kompensationskonto belastet.
  • Kompensieren Sie einen Verkauf, erhalten Sie eine Gutschrift auf Ihrem Kompensationskonto.

Wenn Sie ein Guthaben auf Ihrem Kompensationskonto haben, können Sie im DKG Netzwerk einkaufen. Wenn Sie im Soll sind, können Sie dieses durch eigene Verkäufe ausgleichen.

Im Gegenzug zahlen DKG – Kunden gar nicht oder nur zu Teilen mit Geld. Sie erhalten DKG-Euros welche Sie innerhalb der Deutsche Kompensation für jegliche Einkäufe zu marktgerechten Preisen einsetzen können.

Das man mit derlei organisierten Tauschgeschäften das eigene Wachstum vorantreiben kann, zeigt das Beispiel einer Berliner Traditionsgärtnerei, die sich im Tausch gegen Buchsbäumchen einen Teil ihres Geländes über das DKG-Netzwerk hat renovieren lassen:

Die Späth’schen Baumschulen haben das Erlebnis- und Vermarktungszentrum “Späth’s Hof” mit Unterstützung der DKG umgebaut. 30% der Bausumme konnten mit der zinsfreien DKG Baufinanzierung finanziert werden. Für diesen Teil der Bausumme spart das Unternehmen Zins und Zinseszins – und baut damit Liquidität auf.

Die DKG Baufinanzierung wird nämlich kompensiert: Die Späth’schen Baumschulen bezahlen, in dem Sie andere DKG Teilnehmer mit Waren und Dienstleistungen beliefern.

Buchtipp: “Lebe lieber innovativ”

von Steffen Greschner am 4. September 2011

Wie man an neue Herausforderungen und Probleme herangeht, ist eine Frage, der man sich gerade bei Zukunftsthemen immer wieder gegenüber sieht. Jochen Krisch von excitingcommerce hat ein Buch vorgestellt, das sich mit genau dem Thema beschäftigt:

Ob man lieber neue Lösungen für Probleme sucht oder sich weitgehend an bekannten Lösungen ausrichtet, das ist letztlich eine Frage der Lebenseinstellung, meint Tina Seelig in ihrem Buch Lebe lieber Innovativ

Tina Seelig leitet das Technology Venture Programm an der Stanford Universität und engagiert sich dort u.a. am Hasso Plattner Institute of Design bei der Ausbildung von Innovationstreibern.

Lebe lieber Innovativ (“Warum man die besten Ideen findet, wenn man das Unmögliche denkt”) ist der Tipp eines Lesers, es enthält viele gute Denkanstöße und ist zugleich eines der seltenen Beispiele, wo der deutsche Titel weitaus treffender ist als der Originaltitel.

Initiative S: der salon|stuttgart diskutiert die Zukunft

von Steffen Greschner am 2. September 2011

Unter dem Titel salon|stuttgart hat sich eine spannende Initiative entwickelt, die den neu entstandenen Aktivismus in Stuttgart nützen möchte. Was hinter dem losen Zusammenschluss einiger Stuttgarter Aktiven steht, versteht man am besten, wenn man sich den letzten Blogeintrag anschaut:

Ver-rückt – es hat sich etwas verschoben in Stuttgart, und damit auch die Perspektive. Unabhängig von den Gründen, die den Politikwechsel im Land tatsächlich ermöglicht haben, haben sich die Menschen in Stuttgart in den vergangenen Monaten und Jahren verändert. (…) Die Empörung selbst war Antrieb genug, miteinander zu reden, zu teilen, zu begeistern, zu studieren, beharrlich dran zu bleiben, eine neue Offenheit auf der Straße zu erleben, die zu einer für Stuttgart ganz ungewöhnlichen Gesprächigkeit mit Fremden geführt hat. Ich persönlich meine, dass die Sinnfrage die Empörung und das Lernen erst ermöglicht hat. Wie möchte ich leben? Wie möchte ich behandelt werden? Was ist mir wichtig? Die Ungeniertheit der Strippenzieher erweckte die Empörung erst in dieser Solidarität. Stuttgart hat den Aufruf Stéphane Hessels „Empört euch!“ gelebt. Doch was folgt darauf?

Und so sieht das dann aus, wenn sich aktive Bürger zu einer Initiatve vereinen und sich (auf hohem Niveau) über die Zukunft in Stuttgart “ohne den Daimler” austauschen: