Deutschland, das ewige Internet-Entwicklungsland

von Steffen Greschner am 13. November 2011

Marcel Weiss hat auf neunetz.com einen spannenden geschrieben, der sich auch auf die politische Entwicklung im Internet übertragen lässt:

Deutschland, das ewige Internet-Entwicklungsland

Sebastian Matthes im Wirtschaftswoche-Blog ungedruckt über die verhältnismäßig langsame Verteilung der Nutzung von Webdiensten in Deutschland:

Grund für das Aufmerksamkeitsdefizit ist, dass es im deutschen Twitter-Raum zu wenig Menschen gibt, die der weltweiten Community etwas zu sagen hätten. Zu wenige Top-Ökonomen, bekannte Schauspieler, Buchautoren und Spitzenpolitiker nehmen an der Diskussion teil. Anders in den USA.

Bei Blogs sieht die Sache übrigens ähnlich aus: In den USA sind sie beispielsweise unter Top-Ökonomen längst ein Instrument, um sich über neueste Gedanken und Studien auszutauschen. In Deutschland gibt es allenfalls zaghafte Ansätze.

Es dauert in Deutschland einfach wahnsinnig lange, bis sich Instrumente wie Twitter, Facebook & Co. durchsetzen, auch deshalb, weil wir ersteinmal jahrelang über die Risiken diskutieren müssen. Das kostet Zeit, Zeit, die andere produktiv nutzen.

Es ist ein Teufelskreis: Ohne die Nutzung von Menschen, die bereits eine Autorität mitbringen, sei es als Entertainmentstar oder als Experte in Ökonomie oder anderen Feldern, kann sich die Sichtweise auf Webdienste nicht ändern: Wenn Schauspieler in Interviews im TV erzählen können, wie toll Twitter ist, oder wenn das ein Politiker von Rang macht, dann hat das Auswirkungen auf die Wahrnehmung auf diese Webdienste. Ohne diese veränderte Wahrnehmung probieren aber viele hierzulande diese Dienste erst gar nicht aus; und urteilen von außen, was nicht sinnvoll ist. Da muss dann erst eine Partei in Landesparlamente einziehen, die sich vor allem mit Internet-Themen profiliert, bis sich mehr ändert.

Wir leben in einer Zeit, in der sich Neuland vor uns auftut. Eine Zeit, in der Experimentierfreudigkeit gefragt ist.

Wir sind eine Gesellschaft, die sich vor allem durch Furcht auszeichnet.

Unser Zwang als Gesellschaft praktisch immer zuvorderst und oft ausschließlich über die Risiken und Gefahren zu sprechen, und die immensen Vorteile in einem schulterzuckenden Nebensatz abzuhandeln, hält uns immer weiter zurück.

Der unvermeidlich langsam eintretende relative Bedeutungsverlust des Westens in der Weltgesellschaft, der aktuell durch die Finanz-/Eurokrise stark beschleunigt wird, wird zum Beispiel in den USA zumindest dadurch abgeschwächt, dass dort mit den aktuell entstehenden Internet-Plattformen die kommerzielle Infrastruktur für die Industrien von morgen entstehen. Die wirtschaftliche Bedeutung dessen kann man nicht überschätzen.

Wir haben in Deutschland nichts dergleichen.

Dafür haben wir in Deutschland Datenschützer, Google-Hass und Facebook-Abscheu.

Deshalb: Schaut mehr auf die Chancen, setzt die Risiken in Nebensätze. Traut euch was. Für die Kinder.

Neunetz ist wie [x Politics] Teil des Netzwerkes rund um Exciting Commerce.

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