Spaß als politische Richtung? warum eigentlich nicht?

von Steffen Greschner am 27. November 2011

Manche Ideen und Bewegungen erscheinen auf den ersten Blick simpel und wenig ernsthaft. Wenn man eine Zeit lang darüber nachdenkt, kommt man aber manchmal zu dem Schluss, dass es vielleicht überhaupt nicht immer kompliziert und ernst sein muss. Hier ein Beispiel: Politik hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Politik ist zu ernst – zwanghaft ernst – das ist das Glaubwürdigkeitsproblem.

“Wir wollen Spaß haben beim Politik machen” ist darum das Ziel mancher Initiativen. Das Spaß nicht zwangsläufig mit der negativ belasteten Party- und Spaßgesellschaft zu tun hat, sondern eine grundsätzliche Neugestaltung der Gesellschaft als gedanklichen Hintergrund hat, zeigen die Grundsätze der Initiativen:

Hedonismus ist das Streben nach Freude, Lust und Genuss. Er verbindet alle Menschen auf dieser Erde. Im Gegensatz zu allen anderen sieht die Hedonistische Internationale den Hedonismus nicht als Motor einer dumpfen, materialistischen Spaßgesellschaft, sondern als Chance zur Überwindung des Bestehenden.

Eine Gruppe der Piratenpartei sieht sich diesen Idealen verpflichtet und sieht darin die Chance, sich aus der Tristesse der Politik zu befreien und einen neuen Geist zu entwickeln. Politik muss kein langweiliges Business sein. Mit Fabio Reinhardt sitzt ein bekennendes Mitglied der hedonistischen Plattform in der Piratenpartei im Berliner Abgeordnetenhaus.

Spaßpartei und Politik mit Spaß ist nicht das Gleiche

Der Gedanke “Spaß in der Politik” wird oft mit der missglückten FDP Kampagne “Strategie 18” in Verbindung gebracht. Seitdem steht “Spaßpartei” gleichbedeutend mit lächerlich und unfähig. Wenn man sich die Wirtschaft anschaut, ist das Thema dort aber schon deutlich weiter entwickelt. Immer mehr Unternehmen haben für sich erkannt, dass die Zukunft in Kreativität und neuen, freieren Arbeitsformen liegt. Schlicht: “Mehr Spaß bei der Arbeit”. Einige Berliner Abgeordnete der Piraten haben laut Twitter zumindest Spaß an der politischen Arbeit:

Viele andere im Politik-Business tun sich naturgemäß schwerer damit. Zu groß ist die Angst aus dem gewohnten “das haben wir schon immer so gemacht” auszubrechen. Anstelle von Spaß und Authentizität treten Zurückhaltung und der Wunsch, das Rad der Zeit zurückdrehen zu können. Dabei liegt gerade in der kulturellen Veränderung auch für die Politik riesiges Potential, mit etwas mehr Spaß auf neue Lösungsansätze zu kommen.

Wir verwechseln gerne Ernst mit Seriosität

Es ist also durchaus ein spannender Ansatz, zu hinterfragen, ob mit der christlich verankerten Einstellung, dass Spaß per se etwas unseriöses hat, gebrochen werden kann:

Dass der europäische Mensch sich als seriös nur dann empfindet, wenn Ernst sein Verhalten prägt, darf wohl als eine säkularisierte christliche Norm bezeichnet werden, die besonders vom Mönchtum getragen wurde. Zahlreiche monastische Autoren verurteilten das Lachen mit der Begründung, Christus habe wohl geweint, aber nie gelacht (was auch tatsächlich nirgendwo im Neuen Testament steht). Ausgelassenheit ist daher in der traditionellen europäischen Kultur nur im Rahmen der “verkehrten Welt” legitim, beim Karneval. Dem Mönch, dann dem Christen überhaupt, dann seinem säkularisierten Nachfolger geziemt dagegen Trauer oder wenigstens Ernst als grundsätzliche Lebenshaltung.” (Essay “Mönchtum und Kultur” (1. Abschnitt: Mittelalter) erschienen in: Kulturgeschichte der christlichen Orden in Einzeldarstellungen, Hg. Dinzelbacher/Hogg, Stuttgart 1997)

Braucht es wirklich den klassischen Typus des Politikers, der bedeutungsschwer und mit zuverlässig ernster Miene vor die Kameras tritt? Egal ob das Thema schön oder spannend, ernst oder traurig ist. Man könnte das schlicht Gewohnheit nennen. Man könnte das aber auch unauthentisch und fast schon unmenschlich nennen. Anstelle des Menschen tritt eine professionelle Maske, die stoisch ernst die Welt erklärt. Menschen, die sich im Privaten verhalten, wie es Berufspolitiker vor der Kamera tun, hätten sicher wenig Freunde.

Das Menschenbild im 21. Jahrhundert

Um dem “Spaßgedanken” einen glaubwürdigen Hintergrund zu geben, arbeitet die hedonistische Plattform der Piraten gerade an einem durchaus ernst gemeinten Manifest. In aller Öffentlichkeit und für jeden online nachvollziehbar und veränderbar. Dort steht als erster Absatz des Manifestes:

Wir vertreten ein realitätsnahes Bild des Menschen als Wesen das sich im 21. Jahrhundert von (gesellschaftlichen) Zwängen befreit und dank Bildung und Aufklärung gegenüber sich selbst und der Gesellschaft verantwortlich ist. Verantwortung trägt keinen grauen Anzug sondern ist ein umsichtiges Menschenwesen mit Herz und gesundem Menschenverstand und trägt was immer es möchte, benimmt sich möglichst nach dem kategorischen Imperativ aber trinkt auch mal einen über den Durst und ist fähig sich des Lebens zu freuen.

Für uns trifft das den Nerv.

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