Piraten und BGE: Mutiger Schritt mit vielen Chancen

von Steffen Greschner am 4. Dezember 2011

Was die Piraten da gestern beschlossen haben, ist vielleicht der mutigste Beschluss, den eine Partei in den letzten Jahren gefasst hat. Abgestimmt. Gegen den Willen der Spitze:

Denn was sich hinter dem soeben beschlossenen Antrag “PA284″ verbirgt, hat es in sich. Die Piratenpartei spricht sich nach einer hitzigen Debatte für die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommen aus. Ein Entschluss, der die Partei auf Jahre hinaus prägen wird. Er legt ihren sozialpolitischen Standort fest. Er schärft eine bisher wachsweiche Position im Programm der Piraten und ersetzt sie durch einen Beschluss, der diesen so sehr mit Emotionen besetzten Begriff enthält. Dazu hat jeder eine Meinung, manche auch gleich zwei, wie man an diesem Nachmittag in Offenbach hören konnte.

“Bedingungsloses Grundeinkommen” – der Begriff ist extrem belastet. Die Piraten hätten gut daran getan, eine neue Begrifflichkeit dafür zu erdenken. An der Sache ändert es aber wenig: Die festgeschriebene Forderung ist spannend und sorgt für eine tiefgründige Beschäftigung mit Themen, die uns alle in Zukunft beschäftigen werden.

Wie organisieren wir eine (Wissens-)Gesellschaft in der Leistung nicht mehr nur durch industrielle Produktivität gemessen werden kann. Wie organisieren wir ein Wirtschaftssystem, dass nicht nur auf Wachstum basiert. Wie schaffen wir Grundbedingungen, die auch in Zukunft für Zufriedenheit und Entwicklung sorgen können.

Wir hatten dazu vor einiger Zeit geschrieben:

Computer und Maschinen haben uns tatsächlich den Großteil aller lästiger Arbeit abgenommen. Zurück bleiben fehlende Arbeitsplätze und unzufriedene Gesellschaftsschichten, für die auch in Zukunft nur wenig Perspektiven geboten sind. Der Grund dafür ist, dass die Möglichkeiten, die vor uns liegen nicht genutzt werden. Stattdessen klammert man sich an alte Gewohnheiten und versucht die mögliche Veränderung mit rückwärtsgewandten Konzepten zu bekämpfen.

Netzwertig geht einen Schritt weiter und zeigt die Punkte auf, um die es eigentlich geht:

    • Wir sollten uns verinnerlichen, dass der technologische Fortschritt primär die Arbeit überflüssig macht, die Menschen wenig Stimulation und Selbstverwirklichung bietet.
    • Wir sollten erkennen, dass der technologische Fortschritt uns dazu zwingt, unsere Sichtweise auf den Stellenwert von zum Selbstzweck gewordener herkömmlicher Arbeit zu überdenken und zu erneuern.
    • Wir sollten damit beginnen, den Begriff der Arbeitslosigkeit zu neutralisieren. Das ist schwierig, wird lange Zeit in Anspruch nehmen und kann nur funktionieren, wenn Arbeitslosigkeit nicht mehr mit einer existenzbedrohenden Situation verbunden ist
    • Wir sollten uns von sämtlichen Ideologien befreien, die uns an diesem unausweichlichen Umbau hindern.

Die Punkte sind richtig. Ich würde noch den Punkt Wachstum hinzufügen:

Die Piraten haben sich gestern selbst auferlegt an diesen Punkten zu arbeiten und sich Lösungsansätze zu erarbeiten, die nichts mit aktueller Politik und Denkweise zu tun haben. Was sich die Piraten aufgebürdet haben ist, einen neuen Weg für die moderne Gesellschaft zu ergründen.
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Ein Linksruck ist das nicht. Auch wenn viele das gerne hätten – der Einfachheit halber.
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