Im Nachgang zur Volksabstimmung in Baden-Württemberg, kommt eine der sinnvollsten Aussagen direkt vom Ministerpräsidenten selbst. Kretschmann hat in einem Interview über die Zukunft der direkten Demokratie in Baden Württemberg gesprochen und klar gemacht, wo für Ihn die Reise hingeht:
Südkurier: Hat diese Volksabstimmung Ihr Vertrauen in die repräsentative Demokratie wieder ein wenig gestärkt?
Winfried Kretschmann: Mein Vertrauen in die repräsentative Demokratie ist ungebrochen. Die Parlamente sind und bleiben das Rückgrat unserer Demokratie. Grundsätzlich hat eine direkte Demokratie keine höhere Legitimation als demokratische Beschlüsse im Parlament. Das hielte ich für ein Missverständnis. Außerdem kann das Volk genauso falsche Beschlüsse fassen wie das Parlament. Ich sage aber auch immer, am Ende entscheidet nicht die Wahrheit, sondern die Mehrheit. Entscheidend ist doch, dass wir in erster Linie neue Formen der Beteiligung an politischen Entscheidungen brauchen – sehr viel früher als bei Stuttgart 21 und sehr viel breiter als nur über Volksabstimmungen. Vereinfacht gesagt: Wenn am Ende dieser Legislaturperiode die Zivilgesellschaft in wichtigen Fragen denselben Zugang, denselben Einfluss auf die Institutionen und das Parlament hat wie ihn die staatlichen Interessengruppen oder Lobbys schon immer hatten, dann haben wir einen guten Job gemacht.
Südkurier: Sie unterstellen großen Beteiligungswillen der Bürger. Sind Sie da nicht zu optimistisch?
Winfried Kretschmann: Seit der berühmten Leichenrede von Perikles vor 2500 Jahren gilt auch bei uns der Grundsatz: wer sich aus allem raushält, ist kein stiller, sondern ein schlechter Bürger. Darauf basiert die Lebendigkeit unserer Demokratie. Wer nicht abstimmt, der hat seinen Einfluss selbst außer Kraft gesetzt. Deswegen halte ich Quoren letztlich für unsinnig. Den Gefallen müssen wir den abstinenten Bürgern nicht tun, ihnen dadurch Macht zu verleihen, dass sie wegbleiben. Insofern gilt: Wir müssen uns an der Sache entlang streiten, um uns nicht immer in diesem reflexartigen Schlagabtausch zu ergehen, von dem viele Leute zu Recht die Nase voll haben.
Gerade der Einfluss der gewünschte Einfluss der Zivilgesellschaft ist der wichtigste Punkt der nächsten Jahre. Es müssen Wege und Formen gefunden werden, wie sinvolle Teilhabe und Mitsprache organisiert wird. Alles andere kommt danach.