Kann eine Komplementärwährung kompletten Staaten aus der Krise helfen? Das schlagen zumindest die Initiatoren der Regionalwährung “Chiemgauer” vor (PDF: Expressgeld statt Euroaustritt). Ihr Ziel ist es damit Lösungen für die aktuellen Krisenstaaten aufzuzeigen:
Umlaufbeschleunigtes und abflussgebremstes Geld könnte die nationale Wirtschaft zusätzlich antreiben – ohne neue Auslandsschulden und ohne ausländische Zuschüsse. Selbsthilfe und Selbstverantwortung des in Not geratenen Landes stünden im Vordergrund anstatt einer immer größer werdenden Abhängigkeit von aßen. Mehr Umsätze würden zu mehr Beschäftigung, weniger Handelsdefizit, weniger Sozialausgaben und mehr Steuereinnahmen führen.
Dabei ist die Grundidee: Wenn kein zusätzliches Geld in die Wirtschaft eingeführt werden kann, weil es sofort wieder abflißt durch Importe oder Geldflucht, muss man das vorhandene Geld besser nutzen, das heiflt Liquiditätsoptimierung in Ökonomensprache, oder Expressgeld in Umgangssprache.
Die Grundlagen für eine dementsprechende Komplementärwährung sind relativ einfach. Die Komplementärwährung ist 1:1 an den Euro gekoppelt. Es macht preislich also keinen Unterschied, ob in Euro oder in der jeweiligen Zweitwährung bezahlt wird. Allerdings bekommt die neue Währung einen “Turboboost” mit auf den Weg. Zwei Faktoren sind dabei entscheidend:
- Ein “Umlaufimpuls” (Nutzungsgebühr des Geldes). Dadurch wird der Geldfluß beschleunigt, was die Wirtschaft antreibt.
- Eine “Abflußbremse” (Umtauschgebühr bei Wechsel in Euro) bleibt das Geld im Land, stärkt die regionale Wirtschaft und reduziert das Handelsdefizit.
Konkret bedeutet der “Umlaufimpuls“, dass diese Komplementärwährungen an Wert verlieren, wenn sie nicht ausgegeben werden. 8% Wertverlust pro Jahr ist der Vorschlag. Geld zu horten, wird also durch einen Negativzins “bestraft”. Dieser Umlaufimpuls soll für mehr Investitionen sorgen, da man das Geld logischerweise schnell wieder loswerden will. Alternativ kann man langfristige Sparkonten mit einer Kündigungsfrist von 12 Monaten anlegen. Hierbei wird das Geld “geparkt” – also weder positiv noch negativ verzinst.
Die “Abflußbremse” dient als Motivation für den Inlandskonsum: Möchte man mit der Komplementärwährung zurück in den Kreislauf des Euro, wird ein Wechselgebühr in Höhe von 10% fällig. 1 Einheit entspricht als 0,90 Euro im Umtausch. Diese Gebühr wird fällig, sobald man Bargeld in Euro tauschen möchte oder Geld auf ein Euro-Konto oder ins Ausland überweist. Der Import wird also im Vergleich zu einheimischen Gütern und Dienstleistungen verteuert. Die eigene Wirtschaft im Gegenzug gestärkt.
Dass solche Modelle funktionieren haben die Initiatoren mit dem Chiemgauer bewiesen. Eine spannende Kennzahl ist dabei die Umlaufgeschwindigkeit, also die Zahl, wie oft eine Geldeinheit pro Jahr den Besitzer wechselt. Während ein Euro etwas über vier Mal pro Jahr ausgegeben wird, wechselt ein Chiemgauer dagegen über elf Mal den Besitzer. Die Wirtschaftskraft aus 100.000 Cheimgauern liegt also bei 1,1 Millionen, während 100.000 Euro nur 400.000 Euro im jeweiligen Markt umsetzen.
Für die Krisenstaaten könnte das so aussehen:
Durch den Umlaufimpuls und die Abflussbremse fallen zusätzliche Einnahmen in Milliardenhöhe für den Staat an und hilft diesem, seine Überschuldung abzubauen. Das Schöne an diesen Gebühren ist, dass jede Bürgerin, jeder Bürger und jedes Unternehmen die Zahlung durch eine Änderung der Verhaltensweise verhindern kann. Man muss nur das Geld schnell und im Inland ausgeben oder langfristig sparen. Das macht es annehmbarer. Es ist eine Gebühr, die den Wirtschaftskreislauf nicht belastet sondern anregt!
Mit welchen zusätzlichen Einnahmen für den Staat kann man rechnen? Bei einer angenommenen Umlaufgeschwindigkeit von 10 pro Jahr wird eine Geldmenge von 20 Milliarden Euro benötigt, um ein Bruttoinlandsprodukt von 200 Milliarden zu erzeugen. (Das BIP von Griechenland war 2011 ca. 217 Mrd., von Portugal ca. 170 Mrd.). 20 Mrd. mal 8% Umlaufimpuls entspricht 1,6 Mrd. pro Jahr. Bei einer Abflussbremse in Höhe von 10% fallen bei 20 Mrd. herausgegebener Regios zwei Mrd. an. Diese stehen dem Staat sofort mit Herausgabe der Regios zur Verfügung. Da man für 100 Regio wegen der Abflussbremse nur 90 Euro erhält, ist es zur Dekkung ausreichend, wenn der Staat für 100 Regio bei der Notenbank 90 Euro hinterlegt.
Der Gedanke ist reizvoll.
Mehr Info auf regiogeld.de, eurorettung.org und chiemgauer.info. Oder im 12-seitigen PDF “Expressgeld statt Euroaustritt”
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