Facebook wird zunehmend spannender, was die politische Kommunikation angeht. Gerade der für viele inzwischen schon fast vergessene Streit um Stuttgart 21 zeigt, was auch im Nachgang über soziale Netzwerk an Diskussionskultur erhalten bleibt, vor welchen Problemen man damit aber auch steht.
Eine spannende und durchaus selbstkritische Analyse zur Protestbewegung rund um den Bahnhofsbau hat der grüne Tübinger Bürgermeister und Stuttgart21-Gegner Boris Palmer heute auf Facebook veröffentlicht. Er kommt darin zum Ergebnis, dass nicht die oft bemängelte fehlende Informationen zur Faktenlage, sondern die falsche Organisation und Kommunikation des Protestes Schuld an dem aus Sicht der Gegner verlorenem Volksentscheid war:
Die teilweise mythische Überhöhung des Widerstands hat viele Menschen abgeschreckt. Ganz sicher kann man das von Demonstrationen sagen, die durch Blockaden von Hauptverkehrsstraßen den Verkehr in der Innenstadt zum Erliegen gebracht haben. So manches Nein (zum Ausstieg aus dem Projekt) war ein Nein zu Staus am Montagabend. Manches Gelöbnis und mancher Superlativ zum Denkmal- und Naturschutz hat außerhalb der Bewegung Unverständnis erzeugt und zur Niederlage beigetragen. Das gilt noch stärker für Unduldsamkeit und verbale Aggression. Die gab es eben auf beiden Seiten. Das heißt nun nicht, dass wir unsere Niederlage vollständig selbst verschuldet haben. Es heißt schon gar nicht, dass die Grünen in der Landesregierung alles richtig gemacht hätten. Sehr wohl zeigt diese Analyse aber, dass die Abstimmung im Ergebnis nicht anders geendet hätte, wenn alle Kritikpunkte, die aus der Bewegung bis heute unermüdlich vorgetragen werden, berücksichtigt worden wären.
Das Thema wird in Zukunft noch viele andere Bewegungen, Organisationen und auch neue Piraten Parteien beschäftigen: Wie kommunizieren lose Netzwerkorganisationen ohne klare Strukturen ihre Anliegen nach außen? Wie sieht organisierter und zielführender Diskurs im Netz und auf der Straße aus? Wie erarbeitet man im Netzwerk eine gemeinsame Zielsetzung? Wie kann vermieden werden, dass oft einseitige Informationsüberflutung in sozialen Netzwerken unbeteiligte nervt und schnell zu rein emotionalen Abstimmungen führt?
Ähnliches ist momentan auch bei den Diskussionen um eine Neuregelung des Urheberrecht zu beobachten: Der Protest ist schnell organisiert – der Einstieg in wirkliche Diskussion fällt aber allen Beteiligten extrem schwer.