In Friesland wird aller Voraussicht nach ab Herbst diesen Jahres die Beteiligungs-Software “Liquid Feedback” eingesetzt. Über die Softwarelösung, die auch von der Piratenpartei zur internen Programmentwicklung und Abstimmung verwendet wird, soll den Friesländern unter dem Projektnamen Liquid Friesland eine direkte politische Beteiligung ermöglicht werden.
Über die Hintergründe, des auf ein Jahr angedachten Tests, haben bereits der Spiegel, die TAZ, das Hamburger Abendblatt und viele andere Medien berichtet.
Das eigentlich Mutigste und Cleverste an dem ostfriesischen Projekt versteckt sich aber in der Beschlussvorlage, die am 11. Juli dem Kreistag vorgelegt wird (PDF). Den Friesländern ist damit der Kunstgriff gelungen, eine Möglichkeit zur Bürgerbeteiligung zu schaffen, ohne irgendetwas an bestehenden Verfassungen und Gesetzen zu ändern:
Die Organisation zusätzlicher Bürgerbeteiligung mit Online-Instrumenten hat deshalb zu gewährleisten, dass dieser faktische Einfluss auf der einen Seite abgebildet wird und gleichzeitig die gesetzlich vorgegebenen Entscheidungsregeln (formale Beschlüsse durch Kreisgremien) nicht ausgehebelt werden.
Dieses beachtend schlägt die Kreisverwaltung für wichtige Themen in eigener Zuständigkeit des Landkreises, die Belange der örtlichen Gemeinschaft betreffen, vor:
• Vorlagen für die Gremien parallel in “LiquidFeedback” zur Diskussion und Abstimmung zu stellen und so ein Meinungsbild (gegebenenfalls auch über Alternativvorschläge) zu erzeugen,
• dieses Meinungsbild der Vorlage entsprechend §35 NkomVG für das letztlich entscheidende Gremium (Kreisausschuss, Kreistag) hinzuzufügen (zum Beispiel mit einem Zusatz: “Vorlage war Thema in “LiquidFeedback”: ja / Resultat: 68% dafür, zusätzliche 10% Unterstützung möglich bei Umsetzung des Verbesserungsvorschlages X) und
• Initiativen aus dem Nutzerkreis, die im Internet die erforderlichen Quoren gewonnen haben, als Anregung nach §34 NKomVG und §8 Abs. 4 der Hauptsatzung des Landkreises Friesland zu behandeln.
Was da so trocken klingt, ist eine wirklich schöne Lösung. Die Meinung der Bürger bekommt damit formal den gleichen Stellenwert, wie beispielsweise die offiziellen Stellungnahmen des Bund Naturschutz oder anderer Lobby-Gruppen, die regelmäßig in den Gemeinderäten unserer Republik verlesen werden.
Ohne direkt und rechtlich verbindlich mitbestimmen zu können, wird der “Lobby der Bürger” durch die Bekanntgabe der aktuelle Stimmungsbilder trotzdem ein sehr hoher “emotionaler” Stellenwert eingeräumt.
Das wird selbst in der rechtlichen Unverbindlichkeit interessante Auswirkungen bekommen: Kein Politiker stellt sich schließlich gerne, und in Friesland in Zukunft sogar wissentlich, gegen die Mehrheit seiner potentiellen Wähler.
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