Die Meldung geistert seit dem Wochenende durch die Medien: Stefan Raab startet auf ProSieben mit “Absolute Mehrheit – Meinung muss sich wieder lohnen” eine politische Sonntagabend-Talkshow:
In Raabs Talkshow “Absolute Mehrheit” sollen fünf Gäste – “zwei bis drei Berufspolitiker, ein Promi und ein Normalbürger” – nacheinander über vier gesellschaftlich relevante Themen diskutieren. Den Publikumsliebling erwarten 100.000 Euro Gewinn.
Was in den meisten Berichten einhellig als Angriff und Konkurrenz für Günter Jauch gesehen wird, ist wohl eher der Startschuss zum Run auf die neu entstehende Bürgerlobby, wie Raab gegenüber dem Spiegel auch selbst deutlich macht:
“Während die anderen Talks alles völlig ergebnislos vor sich hin diskutieren, wissen Sie bei uns am Ende künftig wenigstens, welche Meinung die Masse der Zuschauer hat. Ehrlich gesagt wundere ich mich, dass das bisher noch niemand gemacht hat.”
Politischer Talk mit Abstimmungsergebnis ist clever gedacht, eröffnet es doch die Chance sich als Sprachrohr der Bürgerlobby zu etablieren. Wenn Raab es schafft, zumindest in der Zielgruppe der jüngeren Zuschauer eine relevante Größe zu werden, hat das Format durchaus potential eine neu Form der Lobby-Arbeit zu etablieren.
Mit den Abstimmungsergebnissen werden vermutlich nicht nur 100.000 Euro, sondern auch gestärkter politischer Einfluss an den Gewinner und die Meinung des Abends übergeben. Bei der ARD scheint man das verstanden zu haben und bemüht sich das eigene Formatdenken und die eigene Währung zu verteidigen:
Es bestünde die Gefahr, dass Diskutanten einer vermuteten Mehrheitsmeinung hinterherhecheln. ”Auch wenn Herr Raab nur einmal monatlich anzutreten beabsichtigt, wir nehmen die Herausforderung an”, so Baumann gegenüber der dapd.
Bei Gesprächssendungen im Ersten zählten weiterhin nur persönliche Standpunkte und die Kraft der vorgetragenen Argumente. Dazu würde sich das Publikum seine Meinung bilden. “Das ist unsere ‘Währung.”
Ob es gerade Stefan Raab schafft diesen Schritt zur politischen Teilhabe durch die Hintertüre zu vollziehen, sei dahingestellt. Die Richtung und das Denkmuster, das dahinter steckt, wird uns in den nächsten Jahren aber vermutlich noch öfter begegnen. Wer eine relevante Masse an Menschen hinter sich versammelt und die Möglichkeit zur Meinungsabfrage anbietet, wird auch an Einflussmöglichkeit auf politische Prozesse gewinnen.
ProSieben startet mit “Absolute Mehrheit – Meinung muss sich wieder lohnen” aus unserer Sicht kein Format mit politischem Talk als Selbstzweck, um Einschaltquote zu machen ist. Das Format strebt wohl vielmehr den Run auf die Meinungshoheit der Bürgerlobby an, indem es bestehenden Lobbygruppen ein Agendasetting anbietet. Themen zur Debatte stellt, und relevante Stimmungsbilder dazu abfragt.
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