Ich habe über die Feiertage einige Texte von Byung-Chul Han gelesen. Han hat sich der Transparenzkritik verschrieben (Buchtipp: Transparenzgesellschaft). Und dabei einige ganz spannende Gedanken.
In einem Interview mit dem SZ-Magazin erklärt Han, warum er in zunehmender Transparenz, keinen Gewinn, sondern vor allem die Gefahr des gesellschaftlichen Vertrauensverlustes sieht:
Das Verlangen nach Transparenz wird nur dort laut, wo Vertrauen schwindet. Wir erleben gerade, dass die Gesellschaft des Vertrauens vorbei ist. Stattdessen setzen wir auf Transparenz, mit der Folge, dass wir uns immer weiter von einer Gesellschaft des Vertrauens wegbewegen, weil Transparenz immer noch mehr Transparenz und Kontrolle notwendig macht.
Auch brandeins hat mit Han vor über einem Jahr ein langes Interview geführt:
Der Ruf nach Transparenz deutet vor allem auf die heutige Vertrauenskrise hin. In einer kleinen Gemeinschaft, in der jeder jeden kennt, herrscht Gewissheit. Die Frage nach Vertrauen stellt sich erst in einer größeren Gesellschaft, in der aufgrund ihrer Komplexität keine unmittelbare Gewissheit möglich ist.
Das Vertrauen ist ein Zustand zwischen Wissen und Nichtwissen. Es ermöglicht eine Handlung trotz des Nichtwissens. Gerade da, wo das Vertrauen schwindet, wird der Ruf nach mehr Transparenz laut. Da aber kein Vertrauen mehr da ist, wird sie allein durch Kontrolle erreicht.
Der Spiegel nannte Byung-Chul Han vor zwei Jahren schonmal den Philosoph der schlechten Laune und ein bisschen was ist da auch dran.
Und trotzdem bringen die Thesen und Sichtweisen einen stellenweise zum Nachdenken. Auf der einen Seite entstehen durch Netzwerke immer neue Möglichkeiten in Gemeinschaften etwas zu entwickeln.
Auf der anderen Seite sollte dabei aber auch nicht vergessen werden, dass gerade gegenseitiges Vertrauen die Grundlage für gemeinschaftlichen Erfolg ist. (Buchtipps: Wie Gemeinschaften Werte schaffen)
Die Frage, die sich dabei stellt: Inwieweit stehen sich Vertrauen und der zunehmende Ruf nach Transparenz entgegen?