Einige sehr spannende Debattenbeiträge rund um das Thema Bürgerbeteiligung hat die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung veröffentlicht. Gérard Bökenkamp hat eine gute Zusammenfassung der Beiträge auf eigentümlich frei veröffentlicht
Besonders gut gefallen hat uns der Beitrag von Tim Stephan, der die Hintergründe zu Stuttgart 21 unter dem Gesichtspunkt Sozialer Netzwerke als Organisationsinstrument (PDF) für politische Beteiligung untersucht hat.
Dabei geht Stephan vor allem auf den Standpunkt der Projektbefürworter ein, die in den Medien und der öffentlichen Wahrnehmung damals deutlich hinter den Gegnern zurückstanden. Diesen Rückstand haben sie vor allem durch die zielgerichtete Nutzung sozialer Netzwerke wieder aufgeholt:
In dieser Gemengelage wurde das Internet, insbesondere Facebook, ein wichtiges Forum, das Befürworter nutzen konnten, um sich zu S21 zu bekennen, auszutauschen und gegenseitig zu bestärken. Anders als bei öffentlichen Diskussionen, bei denen S21-Befürworter in der Regel sofort lautstark übertönt wurden, konnten sich Befürworter auf moderierten FB-Seiten unbehelligt austauschen, vernetzen und gegenseitig bestärken.
(..) Nach einer Verabredung auf Facebook fand am 2. September 2010 im Ratskeller in Stuttgart das erste „real life“-Treffen von zuvor ausschließlich über Facebook verbundenen Befürwortern statt. An dem Treffen nahmen rund 30 S21-Anhänger im Alter von 16 bis 71 Jahren teil.
Aus diesem Treffen heraus wurde die „Interessengemeinschaft für Stuttgart 21“ gegründet, möglicherweise die erste Bürgerinitiative in Deutschland, die ihren Ursprung im sozialen Netzwerk Facebook hat.
Aus der Interessengemeinschaft heraus wurden später “Läufe für Stuttgart 21″ organisiert, die mehrere tausend Teilnehmer zählten. Die FB-Gruppe hat bis heute rund 180.000 Mitglieder.
Im Fall Stuttgart 21 war dazu noch ein gänzlich neuer Punkt zu beobachten: An dem Punkt an dem sich die Pro-Gruppierungen bildeten, war das Projekt voll genehmigt und zur Durchführung vorgesehen. Wenn man so will hat sich in der Debatte um den Bahnhof eine Gruppierung von Bürgern zusammengefunden, die – angestachelt durch den lautstarken Gegnerprotest – FÜR die Durchführung eines Bauprojektes demonstriert hat, das eigentlich längst beschlossen war.
Was sich an diesem Beispiel sehr schön zeigt lässt, ist die Macht und die Fähigkeit zur Selbstorganisation, die einer, wie auch immer gearteten Bürger-Lobby durch soziale Netzwerke an die Hand gegeben wird. Selbst wenn die öffentliche Wahrnehmung in Massenmedien gerade in eine andere Richtung tendiert.
Hier noch die Links zu den weiteren Debattenbeiträgen:
Robert Nef: Direkte Demokratie und Liberalismus. Non-Zentralismus und Mehrheitsprinzip
Gebhard Kirchgässner: Finanzpolitische Konsequenzen direkter Demokratie