Was sich letztes Jahr in Landkreis Friesland getan hat, konnte man getrost als eine kleine Revolution in der Kommunalpolitik bezeichnen. Mit Liquid Friesland wurde eine Beteiligungsplattform eingeführt, mit der Bürger ganz direkten Einfluss auf die Politik im Landkreis nehmen können und die Möglichkeiten auch nutzen.
Der Landrat, der dahinter steht, ist Sven Ambrosy und hat sich jetzt in einem sehr lesenwerten Interview mit eGovernment Computing zu seinem Verständnis zukunftsfähiger Kommunalpolitik geäußert:
Schon immer haben sich unsere Bürger an Politik beteiligt, sie schreiben uns, sie nehmen an Sitzungen teil, sie rufen uns an, sie bilden Initiativen und sammeln Unterschriften. LiquidFriesland ist ein zusätzlicher Kanal für dieses Engagement, der durch seine Transparenz zusätzliche Beteiligung anzieht. Vom einfachen „Meinungs-Klick“ bis zu eigenen Anträgen kann hier jeder so viel beisteuern, wie er möchte.
Im Unterschied zu vielen anderen Beteiligungsprojekten, hat man in Friesland allerdings eine charmante Möglichkeit gefunden (wie Friesland der Bürgerlobby eine Stimme gibt), den Meinungen der Bürger ein wirkliches Gewicht zu geben, wie der Landrat klar macht:
der Kreistag das Versprechen abgegeben, entsprechend der in der Kommunalverfassung festgelegten Bürgerrechte, die Initiativen, die in LiquidFriesland Abstimmungen gewinnen, auf jeden Fall in seinen Gremien zu beraten.
(..)
Deshalb hat der Kreistag beschlossen, Initiativen der Bürger, die in LiquidFriesland die erforderlichen Quoren gewonnen haben, nach erfolgreicher Abstimmung als Anregung nach § 34 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) zu behandeln. Meinungsbilder zu Vorlagen der Kreisverwaltung werden dem Kreistag vor der abschließenden Entscheidung als Meinungsbild analog § 35 NKomVG zur Kenntnis und zu Protokoll zu geben, sodass er sich damit befassen muss.
Auch wenn der Landrat selbst betont, dass er darin keine Revolution sieht, sondern lediglich “mithelfen will, die neuen Wege der Bürgerbeteiligung im Internet zu finden”, zeigt sich mit Liquid Feedback doch, wohin sich Beteiligung in Zukunft entwickeln kann. Weg von projektbezogenen Ja/Nein-Entscheiden und hin zu permanenter Einbindung der Bürger.
Und es zeigt sich auch ganz deutlich, dass der Schwenk hin zu mehr Transparenz und Beteiligung durch die Beteiligten selbst passieren muss. Von oben angeordnet, wird das nur schwer umsetzbar. (Kulturwandel in Gemeinden: “Open Mind vor Open Data”)