Der wohl größte Fortschritt für die Unterstützer eines bedingungslosen Grundeinkommens ist, dass der Begriff inzwischen auch in den Mainstream-Medien Einzug nimmt. Die Berührungsängste scheinen mehr und mehr zu schwinden.

Aktuell ist es der Focus, der ein Interview mit dem Geschäftsführer der Piratenpartei, Johannes Ponader, unter dem Oberthema führt:

Piraten-Geschäftsführer Johannes Ponader will unabhängig sein von Hartz IV. Deswegen sammeln seine Parteimitglieder Spenden. Im FOCUS-Online-Interview erklärt er wie es sich anfühlt, als erster deutscher Politiker ein bedingungsloses Grundeinkommen zu haben.

Ponader ist erst vor wenigen Wochen öffentlichkeitswirksam vom Amt zurückgetreten.

Unterdessen sammeln die Schweizer weiter Unterschriften für ihre “gefährlich gute Idee” einer Volksabstimmung zum Grundeinkommen. über 22.000 Unterschriften wurden bereits abgegeben. Was das für die angestrebten 120.000 Unterschriften bedeutet, hat anthromedia.ch zusammengefasst:

Verteilt man die 120’000 Unterschriften auf 70 Wochen, ergibt das für jede Woche 1715 Unterschriften. Seit dem Start der Sammelfrist sind 17 Wochen vergangen. Damit sollten wir jetzt 29’155 Unterschriften haben. Der Stand heute ist 21’234 Unterschriften. Einerseits ist das zuwenig – andererseits wächst die Grundeinkommensbewegung ständig, und die Anzahl auf der Strasse gesammelter Unterschriften steigt.

Wer sich weiter mit dem Thema und dem Gedanken dahinter auseinandersetzen möchte, kann sich noch ein paar Tage die aktuelle brand eins besorgen:

Der Südwesten sucht Ausweg aus Livebericht-Verboten

von Steffen Greschner am 20. August 2012

Obwohl der Datenschutz in Baden-Württemberg die bisher problemlos durchgeführten Live-Übertragungen von Gemeinderatssitzungen Anfang des Jahres gestoppt hat, wird im Südwesten weiter ausprobiert und getestet.

Vorreiter und vielbeachtet ist aktuell die Stadt Konstanz, die seit einigen Monaten wieder Live aus dem Gemeinderat ins Netz überträgt. Ziel des gemeinsam mit dem Landesdatenschutzbeauftragten durchgeführten Projektes ist es eine Änderung der Rechtslage zu schaffen, die Übertragungen generell möglich macht.

Andere Städte und Gemeinden stehen bereits in den Startlöchern:

Aalener Gemeinderat berät Ende des Jahres nochmals

In Aalen werden die Erfahrungen aus Konstanz abgewartet und das Thema Ende des Jahres dann nochmals im Gremium beraten. Auch der Städtetag und das Innenministerium beobachten das Vorhaben mit großem Interesse. Es werden wertvolle Erkenntnisse für eine Rechtsänderung in Baden-Württemberg erwartet.

Dass die bisher sehr strenge Auslegung des Datenschutzes und die daraus resultierenden Übertragungsverbote nicht für jedermann verständlich ist, zeigt auch die Stellungnahme eines Anwaltes.

Wie Tegernseer Stadträte die Onlinedebatte entdeckten

von Steffen Greschner am 20. August 2012

Am Tegernsee tut sich wiedermal wunderliches. Am Beispiel der Tegernseer Stimme, einem verlagsunabhängigen Lokalblog, lässt sich beobachten, was öffentlich geführte Debatten außerhalb traditioneller Medien auslösen können.

Zuerst war es nur eine Diskussion zwischen zwei Tegernseer Stadträten, die in den Kommentaren unter einem Artikel, statt im Rathaus geführt wurde. Daraufhin haben sich immer mehr Bürger in die Diskussion eingeschalten und durchaus lobend auf den öffentlichen Austausch reagiert und mitdiskutiert.

Das Ergebnis ist, dass seit gestern der SPD-Stadtrat der Stadt Tegernsee AdHocracy für sich entdeckt hat und dort zu weiteren Diskussionen einlädt:

In der Stadtratsitzung vom 1. August gab der Tegernseer Stadtrat gegen meine Gegenstimme den Bau eines Almdorfes auf dem Gelände der Bergschwalbe in der Nähe des Neureuthparkplatzes.

IMHO sprechen wichtige Gründe gegen dieses Vorhaben. Schon die formal-rechtlichen Einwände reichen aus, um das Projekt zu stoppen: – Bauen in einem Landschaftsschutzgebiet – Bauen im Aussenbereich

Darüber hinaus sprechen auch einige Aspekte inhaltlich gegen das Projekt: – zuerst Betten im Ortskern schaffen – wie “authentisch” ist ein Almdorf mit Tiefgaragenanaschluss – darf der Bauer daneben weiterhin odeln und seinen Hahn krähen lassen? – durch den Bau des Almdorfs entsteht eine Baulücke im Norden. – es entsteht der fatale Eindruck, dass man Landschaftsschutz “kaufen” kann – hat man nur genug Geld

Desweiterin wirft dieses Projekt eine prinzipielle Frage auf: -welchen Tourismus braucht das Tal – und welchen nicht?

Hoffentlich entsteht hier eine rege Diskussion. Sie können auf diesen Kommentar direkt antworten oder ein neues Diskussionsthema (Kommentar) starten.

Das zeigt einmal mehr, dass Beteiligung nicht von oben aufgesetzt werden kann, sondern von unten entsteht, sobald alle Beteiligten Spaß daran haben.

Welchen Stellenwert die Einbeziehung der Bürger-Lobby selbst in der Bundespolitik inzwischen einnimmt, sieht man am Entwurf einer internen Broschüre des Verkehrsministeriums.

Unter dem Titel “Handbuch für eine gute Bürgerbeteiligung” (PDF) versucht das Ministerium auf 80-Seiten Tipps und Tricks für die durchführung von v.a. regionalen Infrastrukturprojekten zu geben, wie es im Vorwort heißt:

Dieser Handbuchentwurf enthält einen Katalog pragmatischer, kurzfristig umsetzbarer Vorschläge für eine gute Bürgerbeteiligung bei Großprojekten im Verkehrssektor.

Wie aktuelle besonders konfliktträchtige Verkehrsprojekte wie Stuttgart 21, die Bahnstrecke Karlsruhe–Basel, die Querung des Fehmarnbelts oder der Ausbau der Flughäfen Frankfurt/Main und München verdeutlichen, fordern viele Bürger mehr Beteiligung bei der Planung und Zulassung von Großprojekten. Sie fühlen sich in Planungsprozesse nur unzureichend eingebunden und häufig schlecht informiert.

Ziel der Politik muss deshalb sein, für eine transparente Planung zu sorgen, die die Bürger kontinuierlich und vor allem früh genug beteiligt, um noch Einfluss auf die Planung nehmen zu können.

Der vorliegende Entwurf selbst ist wohl die erste Reaktion auf ein Bürgerbeteiligungsgesetz, das vor einigen Monaten beschlossen wurde. In der zugehörigen Pressemitteilung wird außerdem angekündigt, dass die Empfehlungen im nächsten Schritt unter Einbeziehung der Bürgerschaft weiter ausgearbeitet werden sollen.

Wenn Bürger den Marktplatz als Gemeingut erobern

von Steffen Greschner am 14. August 2012

Die Idee, die hinter Commons oder Gemeingütern steckt, ist manchmal nicht ganz einfach zu verstehen. Ein gutes Beispiel, wie der Gedanke in der Realität aussehen kann, zeigen die Bürger der Baden-Württembergschen Stadt Vaihingen/Enz jeden Sommer auf’s neue.

Auf eigene Initiative und auf eigen Rechnung, bzw. durch freiwillige Spenden, wird der Vaihinger Marktplatz über die Sommermonate von den Vaihinger Bürgern zum Strandleben umfunktioniert. Die Stadt selbst stellt lediglich die Fläche der Allgemeinheit zur Verfügung:

Der Vaihinger Marktplatz hat sich auch 2012 wieder in einen der größten Sandkästen der Region verwandelt. Vom 16. Juli bis 3. September gibt es den rund 300 Quadratmeter großen Sandstrand am Marktplatzbrunnen. Spielerische und sportliche Ereignisse, organisiert von Einzelpersonen, Vereinen oder anderen Organisationen, tragen auch in diesem Jahr wieder zum Gelingen des Strandsommers bei.

Das Vaihinger Strandleben gilt als bürgerschaftliche Gemeinschaftsaktion. Freiwillige finanzieren, organisieren und betreuen das Angebot, das sich zum echten Sommerhit entwickelt hat. Auf einer 300 Quadratmeter großen Sandfläche können die Vaihinger und ihre Gäste ganz neue Marktplatzgefühle entwickeln.

Rund um den Stadtstrand entstehen durch Bürgerschaftliches Engagement Angebote und Programme (PDF), die nur durch die gemeinschaftliche Nutzung der Fläche überhaupt möglich werden. Für die Sauberkeit wird selbst gesorgt und die Spielregeln garantieren für ein friedliches Miteinander.

Ein schönes Beispiel, wie aus der Gemeinschaft und vor allem von unten heraus Projekte und Bewegungen entstehen können. Ganz ohne, dass die Stadtverwaltung ihre Finger im Spiel hat.

Grundeinkommen als neue Wirtschaftspolitik verstehen

von Steffen Greschner am 13. August 2012

Susanne Wiest, eine der engagiertesten Vordenker zu einem Bedingungslosen Grundeinkommen, hat in einem aktuellen Beitrag die Frage Aufgeworfen, ob ein Grundeinkommen eigentlich der Wirtschafts- oder der Sozialpolitik zuzuordnen ist.

Ähnlich, wie wir es hier auch schon mehrmals dargestellt haben, handelt es sich auch für Wiest dabei nicht um ein sozialpolitisches Instrument, sondern um die Chance die Grundausrichtung einer Gesellschaft komplett neu zu denken:

Grundeinkommen nicht als Notlösung, nicht als sozialpolitische Maßnahme um schlimme Verwerfungen wie Alters- oder Kinderarmut zu korrigieren. Das bedingungslose Grundeinkommen als Grundelement eines gemeinsam gestalteten Wirtschaftens, bei dem wir Menschen uns in den Mittelpunkt stellen und größtmögliche Autonomie jeder/jedes Einzelnen in der Gemeinschaft ermöglichen.

Unter dem Artikel hat sich eine sehr spannende Diskussion entwickelt.

Eine der Grundsatzfragen, die sich dabei auftun, hat der dm-Gründer Götz Werner kürzlich auf Facebook aufgeworfen:

«Dass wir der Kindergärtnerin, die unsere Kinder erzieht, ein geringeres Einkommen zubilligen als dem Mechaniker, der unser Auto repariert, ist eine Bewusstseinsfrage. Die meisten sagen immer noch: Es ist ganz in Ordnung, dass der, der bei der Bank mein Geld betreut, mehr verdient als die Person, die sich um meine Kinder kümmert. Und erst, wenn sich hierfür das Bewusstsein verändert, ändern sich auch die Lohn- und Gehaltsstrukturen.»

Ein Sieg der Bürger-Lobby? Zwangsrente droht das Aus

von Steffen Greschner am 13. August 2012

Großer Gegegnwind aus Reihen der Betroffenen, 80.000 Petitionsunterschriften und rechtliche Probleme haben das Vorhaben junge Selbstständige in eine staatliche Zwangsrente zu drücken, vorerst zum Erliegen gebracht. (Zwangsrente zerstört Innovation und junge Selbstständige)

Wie die Financial Times Deutschland berichtet, soll jetzt eine Machbarkeitsstudie klären, ob das Vorhaben in der gedachten Form überhaupt realistisch ist:

Selbstständigen in Deutschland bleibt ein Zwang zur Alterssicherung vorerst erspart. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen zögert die geplante Einführung der Pflichtrente heraus. Ein Ministeriumssprecher sagte, man wolle erst eine für September angekündigte Machbarkeitsstudie abwarten.

Damit ist unklar, ob Schwarz-Gelb von der Leyens Prestigeprojekt vor der Bundestagswahl überhaupt noch beschließt – zumal der Unmut bei Selbstständigen groß ist.

Ob es die im Artikel angesprochenen rechtlichen Probleme sind oder ob der öffentliche Druck gegen die wenig durchdachten Pläne zu groß wurde, weiß wohl nur Frau von der Leyen. Der Initiator der Gegenpetition hatte sich zumindest erst vor wenigen Wochen mit der Arbeitsministerin zu einem Gespräch getroffen.

Online-Firmengründer organisieren sich in Lobby-Verein

von Steffen Greschner am 10. August 2012

Gerade Gründer und Jungunternehmer stehen oft ohne eigene Interessenvertretung da. Abhilfe wollen die Unternehmer Florian Nöll und Erik Heinelt schaffen und haben den Verein für Gründungspolitik ins Leben gerufen. Auf der noch provisorischen Webseite und der Facebook-Seite sind die Ziele beschrieben:

Unternehmensgründer sind die Dichter und Denker im Deutschland des 21. Jahrhunderts. Mit Mut und Leidenschaft schaffen sie Innovationen und Arbeitsplätze und damit einen elementaren Beitrag für unsere Gesellschaft. Als Verein für Gründungspolitik engagieren wir uns für ein gründerfreundliches Deutschland. Im Dialog mit Entscheidungsträgern in der Politik erarbeiten wir Vorschläge, die eine Kultur der Selbstständigkeit fördern und die Hürden für Unternehmensgründungen senken.

Wir sind die Stimme der Gründer!

Bestes und aktuellstes Beispiel für die Notwendigkeit einer Interessenvertretung sind die Kürzungen von Gründungszuschüssen (Neugründungen sind im Juli 2012 im Vorjahresvergleich um rund 80% zurückgegangen) und die wenig durchdachten Ideen zur pauschalisierten Zwangsrente ab dem ersten Gründungstag. (Zwangsrente zerstört Innovation und junge Selbstständige)

Unterstützt wird der Verein vom Entrepreneurs Club Berlin.

Nicht alles Gold was glänzt: Beteiligung braucht Struktur

von Steffen Greschner am 9. August 2012

Die Süddeutsche hat in einem Artikel die alltägliche Social-Media-Empörung als neues Prinzip politischer Debatten ausgemacht:

Doch es bleibt ein schales Gefühl zurück. Empörung bedeutet, man erhebt sich über die anderen, urteilt über sie. Das braucht eine Gesellschaft regelmäßig, um sich ihrer Normen zu vergewissern. Im besten Fall markiert die Empörung den Anfang einer konstruktiven Diskussion; an deren Ende sind die Grenzen des gesellschaftlich Zulässigen wieder justiert. Doch tatsächlich haben die Empörungswellen der letzten Zeit nur wenig geklärt. Einem Stakkato der Erregung folgte nur das jeweils nächste.

Damit hat der Autor nicht ganz unrecht. Wir haben schon vor einiger Zeit ähnliches beschrieben: Politischer Diskurs in sozialen Netzwerken: Protest ist schnell organisiert. Nervt aber auch schneller. Die nachfolgenden konstruktiven Debatten bleiben teilweise auf der Strecke.

Gerade das sollte sich Politik zur Aufgabe der nächsten Jahre machen. Möglichkeiten entwickeln, die einen gemeinsamen Diskurses im Netz erlauben und die Ergebnisse in den politischen Alltag  übertragen. Bisher sind die Piraten mit mutigen Versuchen leider noch mit die Einzigen. Auch wenn es manchmal Streit gibt.

AdHocracy fördert digitale Bürgerbeteiligung im Lokalen

von Steffen Greschner am 9. August 2012

Langsam kommen immer mehr auf den Trichter, dass digitale Bürgerbeteiligung im lokalen Umfeld am besten aufgehoben ist. (Lokalpolitik 2.0: den Bürgern eine starke Lobby geben)

Heute haben auch die Macher der Beteiligungssoftware AdHocracy eine bundesweite Einführung auf lokaler Ebene verkündet, die auf den Namen OffeneKommune.de hört:

Das Konzept der OffenenKommune basiert auf dem zunehmenden Bedürfnis nach Beteiligung der Bürger und Bürgerinnen an kommunalen Entscheidungsfindungsprozessen. Dabei stellt OffeneKommune eine neutrale, kommunale Infrastrukturplattform dar, die zum Ziel hat, Raum für einen direkten und nachhaltigen Dialog zwischen Bürgern, Interessengemeinschaften und Kommunen zu bieten.

Allen Beteiligten wird dabei die Möglichkeit gegeben, frühzeitig und auf gleicher Augenhöhe, gemeinsam über kommunale Anliegen zu diskutieren und Lösungskonzepte zu erarbeiten. Dies kann sowohl in aktiver, als auch in passiver Rolle geschehen: Bereits bestehende Texte können studiert und verfolgt oder auch eigene Vorschläge und Kommentare eingebracht werden.

OffeneKommune.de basiert auf der Open Source Beteiligungssoftware Adhocracy, die vom Liquid Democracy e.V.. entwickelt wird. Durch Adhocracy werden nachhaltige und demokratische Diskurse, sowie eine selbstverwaltete Nutzung gewährleistet.

Im Anbieterbereich für Softwarelösungen digitaler Bürgerbeteiligung ist gerade einiges an Bewegung. Vor allem im lokalen Umfeld:

In Baden-Württemberg versucht Parteezy die Rathäuser kleinerer Städte und Gemeinden zu überzeugen. In Bayern ist New Democracy für bessere Teilhabe in FDP-Ortsverbänden an den Start gegangen. Liquid Feedback, die Software Piraten, wird ab Herbst 2012 auch lokal vom Landkreis Friesland getestet.