IG-Metall Vorstand entdeckt die digitale Bohème für sich

von Steffen Greschner am 9. August 2012

Obwohl gerade online die Vernetzung sehr einfach und gut funktioniert, sind es doch gerade die Online-Branchen, die ohne eigene Lobby zum Spielball der Politik werden.

In diese Lücke versuchen seit einiger Zeit auch die traditionellen Gewerkschaften zu springen. Aktuell ist es die IG-Metall, die sich zum Sprachrohr der digitalen Boheme und zum Gestalter neuer Crowd- und Clowdbasierter Arbeitsmodelle stilisiert:

“Es gibt für IT-Experten, normale Internetnutzer und Unternehmen viele gute Gründe, sich an Crowdaktivitäten zu beteiligen”, so Christiane Benner, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall. “Damit das so bleibt, müssen Gewerkschaften gemeinsam mit der Crowd sinnvolle und faire Spielregeln entwickeln und durchsetzen”. Denn der Grat zwischen “digitaler Boheme” und digitaler Akkordarbeit ist denkbar schmal. “Für Freelancer geht es um Themen wie angemessene Stundenentgelte, Gewährleistung, Verwertungsrechte ecetera. Bei Fällen wie IBM geht es darum, Outsourcing und den Abbau von festen Arbeitsplätzen im großen Stil zu verhindern.”

Die neuen Arbeitsformen stellen die Beschäftigten, die Betriebsräte und die IG Metall vor neue Herausforderungen. Klar ist, dass auch in Zukunft viele Tätigkeiten zunehmend globalisiert und beschleunigt werden. Die IG Metall will diesen Wandel mitgestalten.

Dass sich längst nicht alle Betroffenen durch die alten Institutionen vertreten sehen, hat erst kürzlich der Aufstand der Onliner bei Neckermann gezeigt.

Philosophen fordern Chancen der Veränderung zu nutzen

von Steffen Greschner am 7. August 2012

Wenn keiner mehr richtig weiter weiß, fragt man die Philosophen. Einige davon haben in den letzten Tagen absolut lesenswerte Beiträge von sich gegeben. Herausgekommen sind einige Gedanken, die für die zukünftige Entwicklung spannender sind, als vieles, was die Parlamente in den letzten Monaten zur Debatte gemacht haben.

Der Netzphilosoph David Weinberger spricht in der taz von der Neuordnung des Wissens durch das Internet und den Verwerfungen, die dadurch entstehen:

Die alte Idee von intellektueller Führerschaft befindet sich auf dem absteigenden Ast. Dass es Expertenzentren gibt, die Wissen authentifizieren, und dass alles, was durch diese Filter zu uns vordringt, etwas ist, woran wir glauben sollten – diese Idee wird gerade einer radikalen Revision unterzogen.

Richard David Precht schreibt in einem Gastbeitrag bei der Süddeutschen Zeitung über die eigentlichen Chancen, die eine Neuordnung Europas mit sich bringen kann, wenn der Status quo nicht als alternativlos angesehen wird:

“Unter keinen Umständen darf mit der Axt des schnellen Wortes eingerissen werden, was über Jahrzehnte lang in Europa aufgebaut wurde”, mahnte Außenminister Guido Westerwelle. Alles soll bleiben, wie es einmal gedacht war, heißt das, versteckt in der Formulierung, dass nun “alle an einem Strang ziehen” sollen. Doch wer beurteilt, was die Axt des schnellen Wortes ist? Könnte es nicht auch die Kraft des besseren Konzeptes sein?

Einen Einspruch gegen die Fassadendemokratie erheben in der FAZ gleich drei Dickschiffe auf einmal. Peter Bofinger, Jürgen Habermas und Julian Nida-Rümelin fordern ein vereintes Europa, was nicht zuletzt auf Initiative der SPD passiert ist (Wer hinter Gabriels Euro-Vorstoß steckt):

Die Euro-Krise spiegelt das Versagen einer perspektivlosen Politik. Der Bundesregierung fehlt der Mut, einen unhaltbar geworden Status quo zu überwinden. Das ist die Ursache dafür, dass sich trotz umfangreicher Rettungsprogramme und kaum noch zu zählender Krisengipfel die Situation des Euroraums in den beiden vergangenen Jahren kontinuierlich verschlechtert hat.

Die aktuellen Veränderungen sind stellenweise in der Tat so komplex, dass der Schritt sich einigen der Themen philosophisch zu nähern, vielleicht nicht der verkehrteste ist.

Initiator zum Schweizer Grundeinkommen im Video

von Steffen Greschner am 6. August 2012

Enno Schmidt ist einer der Initiatoren der Initiative zu einem Volksentscheid über ein Bedingungsloses Grundeinkommen in der Schweiz. In einem aktuellen Vortrag auf dem Camp der Sozialpiraten erklärt er sehr gut den Grundgedanken, der hinter einem Grundeinkommen steckt und warum es sich dabei eben nicht um eine Sozialleistung, sondern eine neue Gesellschaftsorganisation handelt:

Enno Schmidt geht in seinem Vortrag der Frage nach, warum das Grundeinkommen keine Geldfrage ist. Er spricht über die Finanzmechanik, die Lohnverschiebung und Preisverschiebung sowie das Wie der Einführung und Finanzierung.

Aktuell hat die Initiative in der Schweiz etwa 20.000 Unterstützer-Unterschriften. Zum Volksentscheid kommt es bei 100.000 Unterschriften, die bis Oktober 2013 gesammelt werden müssen.

Bürgerprotest zählt bei Projektplanern zu Top3-Hürden

von Steffen Greschner am 2. August 2012

Wie die Immobilienzeitung berichtet, stellen sich immer mehr Projektplaner auf frühzeitige und transparente Information gegenüber den beteiligten Anwohnern ein. In einer aktuellen Umfrage landet “Bürgerprotest” fast gleichauf mit “Baugenehmigungen” und “Finanzierung” bei einer Befragung nach den größten Projektrisiken:

Immerhin 46% der Umfrageteilnehmer gaben an, sie sähen Bürgerproteste als erfolgskritischen Faktor beim Umsetzen einer Projektentwicklung. Probleme mit der Finanzierung (51%) und der Genehmigung (54%) wurden kaum häufiger als denkbare Hürde genannt. Von den Befragten entwickeln die meisten Wohnimmobilien, gefolgt von Developments der Gattungen Büro-, Einzelhandelsimmobilie und Stadtquartiere.

Wie man schon am Tegernsee beobachten konnte, stellen sich viele Unternehmen inzwischen mehr oder minder gut darauf ein und haben in den letzten Jahren umgedacht:

Wie aus der Befragung weiter hervorgeht, informieren vier von zehn Unternehmen die Bürger zu einem früheren Zeitpunkt über ihr Projekt als noch vor wenigen Jahren. Zwei Drittel gaben an, sie träten mit einer ersten Information an die Öffentlichkeit, sobald der Bauantrag gestellt resp. der Bebauungsplan aufgestellt ist. Ein Drittel wartet mit der Erstinformation bis zur Baugenehmigung.

Onlinemedien spielen dagegen für die wenigsten eine Rolle. Nur knapp ein Fünftel der befragten Unternehmen gibt an auch über Blog, Facebook und Co. zu informieren. Klassische Medien und Infoabende sind hier nach wie vor ungeschlagen. Ausnahmen bestätigen aber wie immer die Regel.

Heidelberg wird transparenter und lässt Bürger mitreden

von Steffen Greschner am 2. August 2012

Im Südwesten Deutschlands ist wirklich Bewegung. Mit Heidelberg ist jetzt eine Stadt beim Thema Bürgerbeteiligung sehr weit vorgeprescht und hat vor einigen Tagen “Leitlinien für Bürgerbeteiligung” einstimmig im Gemeinderat beschlossen.

Als Begründung in der Pressemitteilung (PDF) heißt es, dass das Interesse und die Bereitschaft der Bürgerschaft, an städtischen Projekten aktiv mitzuwirken, in den letzten Jahren spürbar zugenommen habe:

Ein Kernelement der Leitlinien ist die so genannte Vorhabenliste. Hier können sich Bürgerinnen und Bürger anhand kurzer Steckbriefe über alle wichtigen städtischen Vorhaben informieren. Die erste Vorhabenliste soll zum Jahresende vorliegen. Wenn Bürger eine Beteiligung zu Vorhaben und Projekten der Stadt wünschen, können Sie diese sowohl über die Verwaltung als auch über verschiedene politische Gremien oder direkt durch das Sammeln von Unterschriften anregen.

Mehr Transparenz zu schaffen, Vertrauen zwischen Bürgerschaft, Verwaltung und Politik aufzubauen und letztlich eine neue Beteiligungskultur zu entwickeln sind die ersten Ziele, die in den Leitlinien genannt werden. Im Arbeitskreis selbst, so Oberbürgermeister Dr. Würzner, sei dies sehr gut gelungen. Dank des guten Miteinanders der beteiligten Akteure sei es auch möglich gewesen, für schwierige Fragestellungen Lösungen zu finden.

Es gibt bereits erste Verfahren, bei denen die Leitlinien angewandt werden, etwa die Bürgerbeteiligung für ein neues Konferenzzentrum in Heidelberg. Aber auch mit dem dialogischen Planungsprozess zu den Heidelberger Konversionsflächen und der Straßenbahn Altstadt stehen in naher Zukunft wichtige Themen an, bei denen die Bürgerbeteiligung eine große Rolle spielen wird „Jetzt gilt es, die Leitlinien mit Leben zu füllen und bei den anstehenden Prozessen auch offen für neue Wege des Miteinanders zu sein,“ führte Würzner aus.

Die jetzt beschlossenen Leitlinien wurden bereits im Vorfeld gemeinsam mit Bürgern, Verwaltung und Gemeinderat entwickelt. Begleitet wurde von der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, sowie der Universität Stuttgart.

Gestartet werden soll am Ende des Jahres. Einen ersten Ausblick gibt es unter http://www.heidelberg.de/buergerbeteiligung

Wie die Bürgerlobby Axel Springer das Fürchten lehrt

von Steffen Greschner am 31. Juli 2012

Wenn es noch einen Beweis für die Entstehung und die wachsende Macht einer neuen (online)Bürgerlobby bedurfte, ist dieser wohl in den letzten Wochen erbracht worden. Unter Federführung von Axel Springer hatte die geballte Lobby-Power der deutschen Verlagswelt versucht ein “Leistungsschutzrecht” für Presseverleger im politischen Berlin durchzuboxen.

Im Netz hat sich deutlicher Widerstand gegen ein solches Recht formiert, das unzählige private Blogger und auch Unternehmen zu einfachen Abmahnopfern großer Verlage gemacht hätte. Selbst, wenn nur kleinste Textstellen oder Links der Überschrift auf einen Presseartikel hingewiesen hätten. Vielen sahen dadurch einen freien Informationsaustausch gefährdet.

Inzwischen ist das Bundesjustizministerium bei dem Entwurf ein ganzes Stück zurückgerudert, wie heise online berichtete:

Das Bundesjustizministerium hat einen neuen Anlauf für ein Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse im Internet unternommen. Das Ministerium hat am Freitag einen deutlich entschlackten Referentenentwurf zur Abstimmung an die anderen Ressorts geschickt. Laut dem heise online vorliegenden Papier sollen jetzt ausdrücklich nur noch Suchmaschinen von dem Gesetz betroffen sein. Blogger, die auf ihren Seiten Werbung schalten oder Micropayment-Verfahren nutzen, sollen mit dem neuen Entwurf nicht mehr von den Regelungen erfasst werden.

Hatte vor der letzten Bundestagswahl 2009, der Einfluss von Axel-Springer und Co. noch ausgereicht, um das Leistungsschutzrecht (bzw. den Schutz der alten Verlagsgeschäftsmodelle) im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien zu platzieren, sieht es heute, drei Jahre später ganz danach aus, dass bei der endgültigen Abstimmung noch maximal eine sehr abgespeckte Version der ursprünglichen Fassung übrig bleibt. Wenn überhaupt.

Die Bundespolitik hat sich, wie es scheint, einmal mehr an der entstehenden Bürgerlobby orientiert. An den Diskussionen und Debatten, die vor allem im Netz geführt wurden.

Lese-Tipps: spannende Hintergründe zur Finanzkrise

von Steffen Greschner am 31. Juli 2012

Normalerweise ist die “große Weltpolitik” nicht ganz unser Thema. Aktuell gibt es aber zwei Artikel zur Finanzkrise, die eine Leseempfehlung absolut wert sind.

Die FAZ beschreibt sehr gut, was es mit dem ESM Rettungsschirm, der sich jeglicher parlamentarischer Kontrolle entzieht, genau auf sich hat und welche langfristigen Auswirkungen das Vertragswerk haben kann:

(..) denn ausweislich der vielen tausend Verfassungsbeschwerden sind es ja nicht nur jüngere Menschen, die in unzähligen Internetforen die drohende Transformation der europäischen Demokratien in eine von der Finanzindustrie beherrschte Plutokratie befürchten.

Vielmehr besteht die Gefahr eines Systemwechsels durchaus. Negative wirtschaftliche Folgen einer Verwerfung des ESM-Vertrags wie sie vom Bund in der mündlichen Verhandlung noch für eine bloße Verzögerung beschworen wurden, dann aber nicht eintraten, sind nicht zu befürchten. Die Mitgliedstaaten könnten den vorübergehenden Rettungsschirm prolongieren oder andere, verhältnismäßige Maßnahmen ergreifen, statt mit dem ESM ein auf ewig angelegtes Herrschaftsinstrument der Exekutive zu schaffen.

Die Schweizer Wirtschaftsuniversität HSG St. Gallen hat eine Studie über den Einfluss von Ratingagenturen auf die Finanzkrise veröffentlicht. Die St. Gallener kommen dabei zu dem Schluss, dass die Bewertungen und Herabstufung von Staaten oft willkürlich passiere, um im Gegenzug die Finanzindustrie zu stärken, wie der ORF zusammenfasst:

“Ratingagenturen sind ein Teil der Finanzindustrie. Und sie sind natürlich erschrocken, als sich die Welt auf der Höhe der Finanzkrise einig war, dass man die Finanzmärkte zurückstutzen muss.”

Und das sei gegen ihre Interessen, „denn sie verdienen dort ihre Brötchen“, so Gärtner. Der Wissenschaftler spricht im Zusammenhang mit Staaten von „neuen Sündenböcken“. Die Finanzmärkte seien aus der Schusslinie, „das Problem sind jetzt die angeblich über ihre Verhältnisse lebenden Staaten“, sagt Gärtner.

Vor diesem Hintergrund ist es umso erfreulicher, dass sich eine neu entstehende Bürgerlobby inzwischen aktiv in die Bundespolitik einmischen kann und von den Gerichten auch mehr als ernst genommen wird. (ESM Verfassungsbeschwerde: Wie bürgerschaftliche Initiativen die Bundespolitik aufmischen)

Wie die wachsende Bürgerlobby die Lokalpolitik erobert

von Steffen Greschner am 29. Juli 2012

Immer Sonntags schreibt [x Politics] einen Gastbeitrag für unsere Partner von istlokal.de. So wollen wir die aktuellen und spannenden politischen Veränderungen auf lokale Themen herunterbrechen. Der Beitrag ist am Tegernsee erschienen:

Auswirkungen einer neu entstehenden “Bürgerlobby”
Wie Transparenz in die (Tal)Politik einzieht

Das Internet verändert die Politik. Daran wird kaum noch jemand Zweifeln. Der neu entstandene Wille zur Teilhabe beschäftigt dabei nicht nur die Wähler, sondern auch die Verantwortlichen in Parteien.

Die Entwicklung macht keinen Halt vor ländlichen Gebieten, sondern wird auch in Gegenden, wie dem Tegernseer Tal, getestet und immer mehr in den Alltag integriert. Bürgerwerkstätten, Diskussionen im Netz und ganz aktuell eine Bürgerbefragung der CSU Bad Wiessee sind das Ergebnis.

Klar könnte man das frühen Wahlkampf nennen. Man kann der CSU auch unterstellen, dass sie damit taktisch klug einen schwelenden Wunsch der Menschen befriedigen versucht, indem sie sie mitsprechen lässt. Eine Mitsprache, die am Ende möglicherweise keine echten Auwirkungen hat.

Immer mehr Bürger wollen sich beteiligen

Doch dass die CSU einen relevanten Punkt getroffen hat und der Wunsch der Bürger auch da ist und genutzt wird, zeigen die Zwischenergebnisse der aktuellen Bürgerbefragung. So teilte der Ortsvorsitzende Florian Sareiter letzten Mittwoch per Mail mit:

Per heute (25.07.2012) hat die Bürgerbefragung gemessen an den ca. 2.600 erreichten Haushalten in Bad Wiessee die angestrebte Rücklaufquote von 10% bereits deutlich überschritten. Die Ressonanz auf die Aktion sei bisher durchwegs positiv. Die gemachten Angaben der Teilnehmer werden teilweise mit extra Beilegblättern ergänzt.

Die Bürgerinnen und Bürger haben anscheinend großen Bedarf Ihre Meinung zu äußern. Die Teilnehmer gehen in Ihren Ausführungen meistens sehr strukturiert und sachlich vor. Der ein oder andere macht aber auch seinem Ärger über verschiedene Umstände vor Ort Luft.

Nicht überraschend sei für Sareiter der hohe Anteil an der Online Befragung. “Man spart sich damit den Weg zu den Abgabestellen und hat unbegrenzten Platz für seine Ausführungen.”

Egal ob dem Wahlkampf geschuldet oder nicht. Die eingeschlagene Richtung ist nur noch schwer zu ändern im Nachhinein. Bei der Beteiligung der Bürger ist im Endeffekt egal, ob sie organisiert in Bürgerwerkstätten oder Umfragen oder selbstorganisiert, durch Protest im oder außerhalb des Internets, stattfindet.

Politik muss immer öfter wegen Protest zurückrudern

Die Bundespolitik musste das in den letzten Monaten bereits mehrmals feststellen: Beim Protest gegen ACTA (wurde zurückgenommen), bei der online Petition gegen einen Rentenzwang für Selbstständige(wird aktuell im Ministerium überarbeitet) oder bei den Onlineprotesten gegen ein geplantes Leistungsschutzrecht für Verlage (vom ursprünglichen Gesetzesentwurf ist nicht mehr viel übrig geblieben).

Grundlegend anders wird es auch in Bad Wiessee nicht laufen. Wer fragt, muss auch mit den Antworten leben. Wer die Stimmung und Meinung der Einwohner kennt, kann sich nur noch schwer dagegen wehren, sich auch danach zu richten. Zumindest in den wichtigsten Punkten.

An was man sich dabei in Wiessee wird messen lassen müssen ist nicht zuletzt die mangelnde Transparenz, die in der Umfrage sehr deutlich bemängelt wurde, wie Florian Sareiter am vergangenen Freitag gegenüber dem Merkur betont:

80 Prozent fühlen sich von der Gemeinde nicht richtig informiert.

Ausreichende Information, Einbindung, ja sogar Mitsprache. Themen, die in den letzten zwölf Monaten rapide an Fahrt gewonnen haben. Nicht zuletzt seit den Erfolgen der “Piraten”, wird auch in den restlichen Parteien über eine grundlegende Neuausrichtung bei der Einbeziehung der Menschen nachgedacht. Der CSU Landtagsabgeordnete Alexander Radwan sprach erst kürzlich in Rottach über mehr Offenheit und Bürgernähe und warnte: “Mit den Piraten ist zu rechnen”.

Auf dem Weg zur Bürgerlobby

Und auch die FDP hat letzte Woche in Bayern mit “New Democracy” eine Online-Beteiligungsplattform ins Leben gerufen, die der Software der Piratenpartei nachempfunden ist.

Das Ziel der Liberalen ist dabei kein anderes, als das der CSU in Bad Wiessee: Man möchte den Menschen eine Möglichkeit bieten, sich aktiv an der Politik, den Zielen und Aufgaben zu beteiligen.

Es bewegt sich gerade etwas, was vor wenigen Jahren noch undenkbar schien. Die Bürger bekommen eine eigene Lobby, von der sich abzeichnet, dass sie über kurz oder lang zu einer der mächtigsten Lobbygruppe überhaupt werden kann. Beispiele dafür gibt es genug: Ein interessantes hat Klaus-Dieter Graf von Moltke, Eigentümer der Egerner Höfe geliefert.

In nichtöffentlicher Sitzung wurde seinem Anliegen nach einer teilweisen Nutzungsänderung für sein 5-Sterne Hotel, bereits zugestimmt. Und trotzdem stellt der Unternehmer sich der öffentlichen Kritik, schreibt selbst in den Leserkommentaren mit und erklärt sich und sein Vorhaben.

Warum der Hotelier das tut? Weil er wohl verstanden hat, dass die Meinung der Rottacher Einwohner heute mindestens genauso wichtig ist, als die rein faktisch ausreichende Zustimmung des Rottacher Gemeinderates.

n-tv berichtet über schwäbische Online-Bürgerbeteiligung

von Steffen Greschner am 27. Juli 2012

n-tv hat in einem” Zukunftsmacher Spezial: online Bürgerbeteilgung” auch über unsere [x Politics] Partner von Parteezy berichtet. Aufhänger des Beitrags ist die schwäbische Gemeinde Wernau, die seit einigen Wochen die Beteiligungsplattform im Einsatz hat:

Inzwischen hat sich im Landkreis Esslingen, vor den Toren Stuttgarts, eine erste kleine Keimzelle digitaler Veränderung in der Lokalpolitik gebildet. Neben dem Vorreiter Wernau am Neckar, wollen sich auch einige andere Gemeinden des Landkreises dem Projekt anschließen und ebenfalls online neue Beteiligungsmöglichkeiten einführen.

Warum Politik sich mit neuer Öffentlichkeit schwer tut

von Steffen Greschner am 27. Juli 2012

Soziale Netzwerke haben die Politik in den letzten Jahren extrem auf Trab gebracht. Nicht nur die großen Ereignisse, sondern viele, viele Kleine Anstöße, schaffen Stück für Stück eine neue Öffentlichkeit, der sich die politischen Akteure auch zunehmend stellen müssen. (So twittern Politiker)

Ein aktuelles Beispiel eines politischen Korruptionsskandals aus Österreich zeigt sehr schön, wo Kommunikation heute stattfindet, und wie Parteien damit so ihre Probleme haben. Der ehemalige Pressesprecher der Kärntner ÖVP Landesparteileitung hat dazu im Detail analysiert, wo und wie Parteien in Krisensituationen auf Social Media reagieren (Massive Schockwellen in Sozialen Medien):

Dennoch zeigt sich, dass die Parteien noch immer lieber mit APA-OTS (Nachrichtenagentur) arbeiten, als dass sie soziale Medien als integralen Bestandteil ihrer Kommunikation sehen und verwenden würden. Dies bedeutet, dass sie von einzelnen Social Media Evangelisten innerhalb ihrer Reihen abgesehen offenbar noch nicht jene Strukturen aufgebaut haben, die sie dazu benötigen würden, sich Krisen wie der vorliegenden aktiv zu stellen. Die Parteien waren bzw. sind dafür einfach noch zu langsam.

Das es im Ansatz auch anders geht, hat die ehemalige Bundesjustizministerin und SPD-Bundestagsabgeordnete Brigitte Zypries letzte Woche bewiesen, in dem sie einem verlagsunabhängigen Lokalblog des istlokal-Netzwerkes ein Interview zur verfassungswidrigen Wahlrecht gab. Das wäre noch vor nicht all zu langer Zeit undenkbar gewesen.