[x BGE] wachsende digitale Ökonomie sozial begleiten

von Steffen Greschner am 26. Juni 2012

Wird über ein Bedingungsloses Grundeinkommen gesprochen, wird das Thema oft aus rein wirtschaftlicher Sicht diskutiert und ins Land der Utopien verwiesen. Es wird versucht den Gedanken in bestehende Denkmuster und Systeme zu integrieren und so getan, als ob alles so bliebe wie bisher, nur, dass die Faulen jeden Monat Geld überwiesen bekämen.

Die Chance, die dahinter steckt ist aber eine andere. Eine frei gedachte und genauso geführte Debatte über ein Grundeinkommen, erlaubt es, sich möglichen Folgemodellen zu Jahrzehnten ständigen Wachstums und technologischer Entwicklung anzunähern. Der Schweizer Tagesanzeiger schreibt dazu:

Der Wettlauf zwischen Entwicklung und Zusammenbruch kann nicht nur mit Technik entschieden werden. Computer, Software und Roboter alleine werden es nicht richten. Sie müssen begleitet werden von sozialen und politischen Mitteln, die für ein Gleichgewicht der Kräfte und auf diese Weise dafür sorgen, dass das System in der Balance bleibt. Angesichts der Tendenz der digitalen Ökonomie ist das bedingungslose Grundeinkommen mehr als soziales Pflaster. Es könnte zu einem tragenden Pfeiler einer neuen Gesellschaftsordnung werden, indem es dafür sorgt, dass der sich abzeichnende, gewaltige Angebotsüberschuss auf dem Arbeitsmarkt aufgefangen wird. Das wäre beides: menschlich und intelligent.

Eine ernsthaft geführte Debatte um ein Bedingungsloses Grundeinkommen, eine Grundversorgung für jeden, ist viel weniger eine emotionale Geschichte, sondern eine denkbare Variante, wie wir in Zukunft leben wollen.

Natürlich: Ein Grundeinkommen passt nicht in die bestehenden Steuer- und Sozialsysteme. Das soll es auch nicht. Es erfordert vielmehr einen kompletten Umbau der grundlegenden Gesellschaftsorganisation – und darin steckt auch die Chance einer ernsthaft und breit geführten Diskussion, wie sie in der Schweiz mehr und mehr zu beobachten ist.

Bürgerbeteiligungsplattform Parteezy startet Pilotprojekt

von Steffen Greschner am 20. Juni 2012

In der kleinen Gemeinde Wernau, in der Nähe von Stuttgart, ist das erste Pilotprojekt der Beteiligungsplattform Parteezy entstanden. Das Entwicklerteam rund um einen ehemaligen Bürgermeister, versucht eine Plattform für eine sehr frühe und dauerhafte Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene zu etablieren:

Auf Parteezy – einfach mitmachen – möchten wir Sie animieren uns Anregungen zukommen zu lassen, Meinungen auszutauschen und die Gemeinschaft in Wernau weiter zu fördern.

Unsere Stadt ist bekannt für ein überdurchschnittliches Bürgerschaftliches Engagement, dem wir mit Parteezy gerne eine Plattform geben möchten, auf die alle ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürger online zugreifen können.
(..)
Parteezy ist ein junges Produkt und die Stadt Wernau hat sich als Pilotanwender zur Verfügung gestellt. Zusammen mit dem Entwicklerteam freuen wir uns auf Ihre Anregungen zur Verbesserung der Plattform.

Spannend ist auch zu beobachten, wie sich Microsoft die Idee von Parteezy in der öffentlichen Kommunikation unter den Nagel reißt für sich nutzt: Bereits im internen “Neustadt-Boten” und auch auf dem Microsoft-Video-Blog Chancenreporter. Unlängst bezeichnete Microsoft Public Chefin Marianne Janik, Parteezy als das Leuchtturmprojekt der Microsoft Initiativen:

Es gibt auch ein gutes Beispiel, das ist die Plattform Parteezy. Sie bietet den Kommunen eine Sharepoint-Lösung für mehr Bürgernähe in der Politik. Dort können die Städte und Gemeinden ihren Bürgern Arbeitsräume für die Arbeit an Projekten einrichten. Dort können auch Online-Umfragen veranstaltet werden. Parteezy kann mit bestehenden Social-Media-Netzwerken verknüpft werden. Da gibt es gerade ein Pilotprojekt in Baden-Württemberg.

Der Ansatz ist clever, da der Zugang zu Bürgermeistern und Co. wohl eher über große und lange vertraute Institutionen, als über kleine unbekannte Startups und Initiativen möglich ist.

Microsofts freie Daten “Neustadt”: der Trendsetter?

von Steffen Greschner am 20. Juni 2012

Microsoft ist inzwischen sehr rührig, was die Entwicklung und das Vorantreiben von Lösungen für offenere Verwaltungen und Beteiligungsmöglichkeiten auf kleinster polititischer Ebene angeht. Im Projekt “Neustadt“, werden einige dieser Lösungen für Kommunen und Gemeinden in einer Art Showcase gezeigt.

Gegenüber CIO hat Marianne Janik, verantwortlich für den Sektor Public bei Microsoft, einige interessante Einblicke in die Neustadt und einen noch sehr unterentwickelten Markt gegeben:

Für uns war der Treiber zu Beginn die Tatsache, dass über dieses Thema nur sehr theoretisch gesprochen wird. Es geht immer sehr viel um Technologie, Kameras, Sensoren und IT.

Die Bürger wissen zwar oftmals, dass ihre Kommune derartige E-Government-Dienstleistungen bereits anbietet, diese werden aber nicht genutzt. Wir wollten auf der Cebit an Beispielen zeigen, wie der Bürger heute schon mit seinem Rathaus, seinem Krankenhaus oder der lokalen Politik elektronisch kommunizieren kann.

Wir wollen über Neustadt transportieren, wie das aussehen kann. Wir haben viele Projekte, die sehr schön zeigen, wie die Technologie funktioniert. Jede Stadt kann Neustadt sein. Wir sind in Deutschland bisher zu oft das Land der Piloten geblieben.

Hinter der Microsoft Neustadt versteckt sich eine Art Softwarepaket, das versucht die aus der Microsoft-Sicht optimalen Lösungen zu bündeln und mit verschiedenen Partnern ein rundum-sorglos Paket für kleinere Gemeinden zu schnüren und weiter zu entwickeln.

Soziale Netzwerke bieten lokalpolitische Möglichkeiten

von Steffen Greschner am 19. Juni 2012

John Prescott hat im Guardian erklärt, warum Twitter (und soziale Netzwerke) zu einem der wichtigsten politischen Instrumente überhaupt geworden ist:

Twitter is OUR media, the public have become the news editors and the Twitter trend list is the running order.

It’s given me a voice and a connection to millions of people that the distorted prism of the mainstream media denied.

So for me, life is tweet. Though it would be even tweeter if they verified me.

Leider wird das Thema Social Media in der Politik meist an “den großen Beispielen” abgehandelt und mit puren Vergleichen von Followern gemessen.

Das größere Potential steckt aber wohl in der kleinen, greifbaren und lokalen Politik, wo soziale Netzwerke zu spannenden Diskussionen und Anstößen führen können.

Generation 30: “Wir machen uns die Dinge untertan”

von Steffen Greschner am 19. Juni 2012

Wir, die Netzkinder, war einer der Texte, der sich in den letzten Monaten sehr schnell im Netz verbreitet hatte, weil der polnische Dichter Piotr Czerskier, die Stimmungslage einer Generation sehr gut eingefangen hatte.

Nicht weniger Interessant ist ein Beitrag des Rechtswissenschaftlers und Philosophen Konstantin Sakkas, der im SWR erschienen ist: “Generation Gesamtkunstwerk – Die Dreißigjährigen von heute” (Gelesen etwa 30 Minuten oder hier als Manuskript (PDF).

Der Text macht einmal mehr deutlich, warum sich eine Bewegung wie die der Piraten, nicht mit kostenlosen Musikdownloads, Urheberrechtsdebatten und Internet erklären lässt. Es geht dabei um einen langfristigen Kulturwandel, der neue Rahmenbedingungen braucht. Eine Generation, die in der Selbstbestimmtheit aufgewachsen ist:

Dieser Individualismus gilt in allen Lebensbereichen. Deshalb ist auch die klassische Trennung von Beruf und Privatleben, von politischer und persönlicher Haltung für unsere Generation hinfällig geworden. Dass die „fetten Jahre“ eines behaglichen Wirtschaftswachstums und einer ebenso behaglichen, sehr kompromissbereiten privaten Lebensgestaltung vorbei sind, ist für uns aber keineswegs eine Bedrohung; im Gegenteil: es ist die historisch ziemlich einmalige Chance, sein Leben abgekoppelt von allen Dogmen und Ideologemen frei und selbstbestimmt zu gestalten.

Sakkas geht im weiteren Text auf die Herausforderungen ein, denen eine sich wandelnde Gesellschaft gegenübersteht. Er spricht von der Generation der Freelancer, die nicht nur aus Zwang, sondern aus Überzeugung einen selbstbestimmten Weg einschlägt, neue Familienkonstrukte erschafft und politische eine komplett eigenständige Haltung einnimmt:

Unsere politische Haltung, wie unsere Selbst- und Welthaltung überhaupt, ist welthaft, nicht weltlos: orientiert an der Spontaneität des individuellen Handelns und seiner unmittelbaren jeweiligen Bezogenheit auf die politischen, sozialen und natürlichen Phänomene, die uns umgeben.

Nicht idealistisch im kindhaften, vorreflexiven Sinne von Anti-Atomkraft-Aktivisten oder Stuttgart-21-Gegnern; aber auch nicht schnöde-materialistisch wie die klassischen, auf krummen Seilschaftspfaden aufgestiegenen Politfunktionäre der deutschen Provinz; sondern pragmatisch-idealistisch, beseelt vom Gedanken des echten, unbescholtenen Menschseins, aber immer auf dem Qui vive, immer on the spot gegenüber der Realität und deshalb nicht in der Versuchung, sich zum Sklaven einer bestimmten Realität zu machen, die in dieser Bestimmtheit, in dieser Form vielleicht nur in der trüben Einbildung dessen besteht, der sich mit ihr nur halb auseinandergesetzt hat und den sie deshalb heillos überfordert.

Unsere Maxime ist die Maxime des Horaz: uns die Dinge, nicht den Dingen untertan machen.

Die Politik verpasst bisher in vielen Bereichen auf die Bedürfnisse der ersten Generation einer beginnenden Epoche zu reagieren und versucht stattdessen, den Status Quo zu halten und alte Denkmuster anzuwenden. Dabei wäre die Chance wohl momentan so groß wie nie, wirkliche Veränderungen anzustoßen.

Der gesprochene Text weicht leider an manchen Stellen deutlich vom PDF-Manuskript ab und lohnt sich daher mehr, da er einige Aspekte klarer auf den Prunkt bringt.

Politikversagen? Die Depression der jungen Generation

von Steffen Greschner am 14. Juni 2012

Wir stellen diesen Artikel hier mehr oder weniger unkommentiert ein. Der Spiegel und das Robert Koch Institut wissen keine genaue Ursache, warum die Depressionszahl bei jungen Menschen immer höher wird:

In keiner anderen Altersgruppe der DEGS, die das Robert Koch-Institut am Donnerstag in Berlin vorgestellt hat, ist die Wahrscheinlichkeit, unter einer Depression zu leiden, so hoch wie bei den 18- bis 29-Jährigen. In der letzten vergleichbaren Erhebung, dem Bundes-Gesundheitssurvey 1998 (BGS98), sah das noch anders aus: Damals war der Anteil der Menschen mit depressiven Störungen jenseits des vierzigsten Lebensjahres höher als bei jungen Menschen.

Gefühlt liegt es schlicht an Unsicherheit und rasend schneller Veränderung in extrem vielen lebensbestimmenden Bereichen und einer Politik, die nicht mehr vermitteln kann, für die Themen der Zukunft gerüstet zu sein. In vielen Bereichen sogar gegen die Erwartungen und die Lebensrealität der jungen Generation agiert und sich fast stoisch weigert, sich den Fragen der Zukunft ernsthaft zu stellen. Zukunftsangst.

Unternehmensführung 2.0: Demokratie statt Betriebsrat

von Steffen Greschner am 14. Juni 2012

Das sich der Gedanke von Beteiligung und einem anderen Hierarchieverständnis immer stärker in den Köpfen vieler Menschen festsetzt, zeigt der Blick auf die Neuorganisation mutiger Unternehmen.

Während das Softwareunternehmen Valve erfolgreich ohne jegliche Hierarchie auskommt, versucht das deutsche Softwarehaus Synaxon AG das komplette Unternehmen über die Beteilgungssoftware Liquid Feedback zu organisieren, wie es brand eins in einem sehr lesenswerten Artikel beschreibt:

Synaxon pflegt unter seiner Führung schon lange eine sehr offene Unternehmenskultur (vgl. brandeins 03/2007, “Die gläserne Firma”). So kann beispielsweise jeder, ob Führungskraft oder nicht, seine Aufgabenbeschreibung oder Arbeitsabläufe selbst ändern und dies in einem Unternehmenswiki vermerken. Wenn keiner widerspricht, wird fortan wie vorgeschlagen gearbeitet. Dieses Verfahren mag zwar hier und da zu Konflikten unter Mitarbeitern führen. Gleichzeitig hält es aber auch alle ständig dazu an, mit ineffizienten Routinen zu brechen und nach der intelligentesten Form der Zusammenarbeit zu suchen.

Nach fünf Jahren mit “ausnahmslos guter Erfahrung” ist man nun offenkundig entschlossen, die Grenzen weiter zu verschieben. Roebers und seine beiden Vorstandskollegen haben sich dazu verpflichtet, alle Feedbackvorschläge auch tatsächlich umzusetzen. Einzige Einschränkung: Die Initiativen dürfen dem Unternehmen nicht elementar schaden oder die Vorstände in die Situation bringen, gegen aktienrechtliche Pflichten zu verstoßen.

Die Entscheidung eines Unternehmens, zu 100% auf die eigenen Mitarbeiter zu vertrauen ist mutig, kann aber wohl ein richtiger Schritt sein, um Arbeit neu zu denken. Indem man den Mitarbeitern die Möglichkeit gibt, sich aktiv an der Ausrichtung und den Zielen des Unternehmens zu beteiligen.

Spannender ist aber fast, dass sich in einem 150 Mann Labor, wie der Synaxon AG sehr gut verfolgen lässt, was den Menschen wichtig ist, für zufriedene Arbeit. Die ersten Veränderungen, die über Liquid Feedback angestoßen wurden, reichen vom Betriebsfahrrad, bis zur Anpassung der Löhne an Branchenübliche Tarifverträge. wie Synagon im eigenen Blog schreibt.

Einen Betriebsrat hat die Synagon AG nicht. Wollen die Mitarbeiter nicht. Zu altmodisch. Zu hierarchisch.

*update*
Ein wirklich schöner Beitrag ist es geworden, den QUER da produziert hat. Vielleicht bringt er den einen oder anderen Gemeinderat nochmal etwas zum Nachdenken, was schließlich auch das Ziel des ursprünglichen [x Politics]-Gastbeitrages war, der den Stein ins Rollen brachte:

Hier geht’s direkt zum Video, da sich Beiträge vom BR leider nicht direkt einbinden lassen.
*update Ende* 

Der Artikel über die Transparenz-Posse am Tegernsee wurde schon hier gut gelesen. Letzten Freitag hatte sich daraufhin der Bayerische Rundfunk bei uns gemeldet. Für die Sendung QUER wurde nun ein Beitrag daraus, der morgen Abend, Donnerstag, 14. Juni 20.15 Uhr unter dem Titel Transparenz – nein danke! Kein Bürger-Livestream am Tegernsee gesendet wird:

Schöne neue Internet-Welt – in den Gemeinden am Tegernsee sollte sie Wirklichkeit werden. Eine Lokalredaktion hatte die Idee, die Gemeinderatssitzungen im Internet live zu übertragen. So hätte jeder Bürger seinen Gemeinderäten bei der Arbeit zuschauen können. Doch die Initiative für mehr Transparenz stieß bei den Lokalpolitikern auf wenig Gegenliebe – die Angst vor der totalen Öffentlichkeit im Netz ist groß. Dabei gibt es anderswo durchweg positive Erfahrungen mit solchen Live-Übertragungen. So sind die Gemeinderäte oft besser vorbereitet und die Sitzungen effektiver.

Schön, dass das Thema jetzt die nötige Aufmerksamkeit bekommt. Auf istlokal.de ist dazu auch noch ein Interview erschienen, das die Hintergründe etwas ausführlicher beleuchtet.

Dieser Artikel war der Auslöser: Wie aus Transparenz am Ende eine Rollstuhlrampe wird.

[x BGE] Ein Grundeinkommen als Gesellschaftsmodell

von Steffen Greschner am 8. Juni 2012

Wir beobachten seit einiger Zeit die Debatten, die durch die Volksinitiative zum Grundeinkommen in der Schweiz angestoßen werden. Anders als in Deutschland wird das Thema bei unseren Nachbarn inzwischen als denkbare Alternative zu bestehenden Systemen diskutiert.

Wir werden uns unter dem Titel [x BGE] in den nächsten Wochen vermehrt mit den Hintergründen eines bedingungslosen Grundeinkommens, kurz BGE, beschäftigen und dabei versuchen das sehr kontrovers diskutierte Thema frei von Vorurteilen und Polemik zu bearbeiten.

Zum Start aber erstmal ein kurzer Hinweis darauf, dass sich auch in Deutschland in diese Richtung langsam einiges bewegt. Susanne Wiest, die bereits durch eine Bundestagspetition auf das Thema aufmerksam machte, wird den Vorschlag in wenigen Wochen der Bundeskanzlerin vorstellen:

Sehr geehrte Frau Wiest,

der von Ihnen eingereichte Vorschlag gehört zu den 10 bestbewerteten Vorschlägen aller Kategorien im Dialog über Deutschlands Zukunft.

Wir möchten Sie deshalb – wie bereits angekündigt – zu einem Termin ins Bundeskanzleramt nach Berlin einladen. Dort bekommen Sie dann die Möglichkeit, der Bundeskanzlerin Ihre Ideen persönlich vorzustellen und mit ihr darüber zu diskutieren. Das Zusammentreffen mit der Bundeskanzlerin wird am 3. Juli stattfinden.

Wer sich weiter zum Thema informieren möchte, sei zum Einstieg der Film “Grundeinkommen – ein Kulturimpuls” der Schweizer Initiatoren Daniel Häni und Enno Schmidt empfohlen:

Wenn der Datenschutz und der Wunsch nach Transparenz aneinander rasseln, kommen manchmal seltsame Ergebnisse zustande: Baden-Württemberg unterbindet Liveberichte aus Gemeinderäten. #Datenschutz vs. #Demokratie - so wurde im Februar der Gemeinde Seelbach im Schwarzwald vom Landesdatenschutzbeauftragten untersagt, weiterhin Live aus dem Gemeinderat zu berichten. Obwohl alle Beteiligten dafür waren.

Die Stuttgarter Zeitung hat einen sehr lesenswerten Artikel, der das Thema erneut am Beispiel Konstanz aufgreift. In Konstanz soll, ab Ende Juni, ebenfalls Live aus den Sitzungen ins Internet übertragen werden. Zur Not auch gegen den Willen des Datenschutzbeauftragten:

Der Landesdatenschutzbeauftragte Jörg Klingbeil sieht auch im Fall von Konstanz seine grundsätzlichen datenschutzrechtlichen Bedenken gegen das Rats-TV bei weitem nicht ausgeräumt. Es gelte die Persönlichkeitsrechte nicht allein der Gemeinderäte, sondern auch der Verwaltungsmitarbeiter, der Zuschauer sowie beteiligter Dritter zu wahren. Im Einzelfall könne das knifflig werden. Er sehe sich gezwungen, auf die Stadtspitze erneut zuzugehen und erwartet eine schriftliche Stellungnahme, was denn da genau geplant sei.

Der Datenschutzbeauftragte stört sich vor allem an der “Liveübertragung”, da jeder Einzelne immer die Möglichkeit haben müsse, seine Einwilligung zur Sendung zu widerrufen: “Wenn einem Freizeitpolitiker nicht gefällt, was er da eben gesagt hat, muss er die Möglichkeit haben seine Genehmigung zurückzuziehen.” Dieses Denken offenbart den Gegensatz von Datenschutz und Transparenz.

Als Spielverderber will sich der Datenschützer trotzdem ungern sehen, vor allem, weil der Wunsch nach Berichterstattung bei einigen Städten, Kommunen und Mediendienstleistern im Südwesten wächst:

Klingbeil will trotz der rechtlichen Bedenken grundsätzlich nicht der Spielverderber sein bei den Bestrebungen der Kommunen nach mehr Transparenz. Ein halbes Dutzend größerer Städte im Südwesten, so sagt er, warteten nur darauf, grünes Licht für neue multimediale Zeiten zu bekommen. Gedrängt werden sie oft von Lokalzeitungen und Privatfirmen wie Plenum-TV, die so ihre Marktmacht ausbauen wollen.

Dass sich aber auch die lokale Politik nicht immer leicht tut, zeigt ein Beispiel vom Tegernsee, bei dem anstelle Transparenter Berichterstattung zugelassen, eine Rollstuhlrampe gekauft wurde.