Was wollen die 10% Piratenwähler wirklich?

von Steffen Greschner am 19. Oktober 2011

Die Zustimmung der bewegten Mitte scheint ungebrochen. Heute wurden neue Umfrageergebnisse veröffentlicht: 10% sprechen sich für die Piraten aus. Und das obwohl manch alteingesessener Kommentator vor lauter Haaren in der Suppe fast nicht mehr weiter weiß:

Wofür stehen die Piraten? Wenn man den Auftritt ihres Spitzentrios nach dem hauptstädtischen Urnengang nimmt, haben sie zu den wichtigsten Problemen der Gegenwart – Finanzkrise, Krieg in Afghanistan, soziale Fragen – noch keine Position. Der Hinweis auf das zarte Alter, in dem man noch nicht alles wissen könne, überzeugt nicht. Die Partei besteht schon seit 2006.

Manchem scheint es einfach unheimlich zu werden, wenn sich 10% einer Gesellschaft für etwas aussprechen, das nicht in Schwarz und Weiß oder in politischer Sprache nicht in Rot, Gelb, Grün, Schwarz, links oder rechts einzuordnen ist.

Nicht nur die traditionelle Politik scheint von der momentanen Bewegung überfordert, sondern auch einige Medien wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Ist das jetzt ein wirkliches Thema? Oder ist das ein Trend? Oder sind das doch nur Nerds und Spinner, die Computerspiele spielen?

Vielleicht muss man sich einfach damit abfinden, dass der Wunsch von 10% eigentlich ziemlich simpel ist:

“Die Leute verlieren das Vertrauen in die Politik, sie wollen wieder Ehrlichkeit – auch in der Krise”, sagte der Bundesvorsitzende der Piraten, Sebastian Nerz, der “Rheinischen Post” (Donnerstagsausgabe). So würde der Bundestag Beschlüsse fassen, ohne deren Folgen beurteilen zu können.

Schweizer Medien ignorieren die bewegte Mitte

von Steffen Greschner am 19. Oktober 2011

Nachdem in der Schweiz seit einiger Zeit durch die Grünliberalen eine neue Bewegung in der Politik herrscht, hoffen jetzt auch die Schweizer Piraten auf Erfolg. Auffällig ist, das in der Schweiz kaum über die Piraten berichtet wird. Die Medienschaffenden haben sich wohl für kollektives Schweigen entschieden, wie Vimentis treffend analysiert:

Es​ braucht eine gehörige Portion politischen Desinteresses, um diese Ereignisse in Deutschland zu übersehen. Aber die Schweizer Medien, trotz ihres ureigentlichen Auftrags zwischen Politik und Öffentlichkeit zu vermitteln, haben es geschafft diese Veränderungen zu ignorieren.

 Man könnte auch sagen, die Medien berichten nicht, weil sich die Leute dafür nicht interessieren. Aber das widerspricht meinen Erfahrungen im Strassenwahlkampf. Die Leute sind neugierig, was es mit der Piratenpartei auf sich hat, wofür steht sie, was sind die politischen Ziele, warum engagiert sich eine Jugend, der man bisher Begeisterung nur für I-Pod und „Killerspiele“ zugetraut hat.

Es​ gibt noch eine weitere Sicht der Dinge, die mir fast am Meisten zu denken gibt. Im Verschwiegenen sagen mir Medienschaffende, dass über die Piratenpartei nicht berichtet wird, weil es sich für die Medien politisch nicht lohnt. Politik und Medien sind aufeinander angewiesen, Politik braucht Öffentlichkeit und Medien exklusive Informationen aus der Politik. „Treffpunkt Bundesplatz“ war eine gebührenfinanzierte Lobbying-Aktion der SRF. Die geladenen Politiker werden sich mit politischen Goodwill bedanken. Wer Piraten thematisiert hat keine Gefälligkeiten zu erwarten, eher schauen die etablierten grimmig.

In Österreichischen Medien tauchen die Schweizer Piraten wenigstens noch auf, auch wenn sie nicht sonderlich ernst genommen werden:

Ein anderes Anliegen sind Computerspiele. Bei diesem Thema läuft der Piraten-Kapitän so richtig heiß: “Sie sind ein Problem, weil sie zu einem Problem gemacht werden. National- und Ständerat haben gesagt, Spiele, wo das Töten von Menschen zum Spielerfolg beitrage, dürfen nicht verkauft oder importiert werden. Aber das ist statistischer Unfug. Das beweist der Alltag. Es gibt ja nicht jeden Tag Amokläufe.

Am 23. Oktober wird man sehen, ob die bewegte Mitte auch in Schweizer Parlament einzieht. Dann wählen die Schweizer ein neues Parlament. Spannend wird auch, wie das eVoting angenommen wird. Während in Deutschland Briefwahl noch als Trend gesehen wird, ist es in der Schweiz schon lange vollkommen normal.

EU Initiativen Grundeinkommen verbünden sich

von Steffen Greschner am 17. Oktober 2011

Getragen von den globalen Protesten sehen sich die Initiativen für ein Grundeinkommen gestärkt und haben am Wochenende in Wien eine Europaweite Initiative angekündigt und vereinbart. Auf der Seite vom deutschen Netzwerk Grundeinkommen sieht man sich als Unterstützer der Occupy-Bewegung:

Gleichzeitig finden weltweit Protestkundgebungen für echte Demokratie, gerechte Verteilung und gegen die Macht der Finanzmärkte statt. Die TeilnehmerInnen des Symposiums begrüßen diese Proteste. Die globale soziale Ungleichheit und die Auslieferung des Sozialen an die Finanzmärkte werden weiterhin zu Krisen führen, wenn nicht die Fragen der Verteilung gelöst und die Forderungen nach echter Demokratie erfüllt werden.

Eine Lösung der Probleme sehen die Initiativen in einem globalen Grundeinkommen.

  • Das bedingungslose Grundeinkommen sorgt für eine gerechtere Verteilung, schafft Einkommensarmut restlos ab, ermöglicht größere Freiheit und Selbstbestimmung und stärkt die gesellschaftliche Teilhabe aller.
  • Als wirtschaftliches BürgerInnenrecht für alle vermeidet es soziale Spaltung. Neid- und Missbrauchsdebatten gehören der Vergangenheit an, ebenso wie die aufwändige, repressive und ausgrenzende Kontroll- und Überprüfungsbürokratie.
  • Das bedingungslose Grundeinkommen stiftet sozialen Frieden und stärkt das Recht auf ein menschenwürdiges Dasein, bei gleichzeitiger Förderung der politischen Teilhaberechte.
Spannend an der Entwicklung ist, dass sich die Proteste und Initiativen nicht grundsätzlich gegen bestehende Systeme wenden, sondern einen Schritt hin zu mehr und anderer Demokratie fordern.
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Vertrauen ist die Währung für echte Alternativen

von Steffen Greschner am 17. Oktober 2011

Die Finanzmärkte sind böse! Hunderttausende  haben das jetzt für sich erkannt und verkündet. Geld könnte an Bedeutung verlieren sagen sogar Psychologen. Aber was dann? Was kommt danach? Zeitbanken? Tauschkreise? Grundeinkommen für alle? Oder doch einfach nur regionale Währungen und alternative Geldsysteme?

Telepolis stellt dazu eine interessante Frage, die für alle Modelle nach dem Geld Grundbedingung sind. Wieviel ist eigentlich Vertrauen wert?

Es gibt eine riesige Misstrauensindustrie, die aus Versicherungen, Anwälten, Wirtschaftsprüfern, Notaren und Beratern besteht. Sie verursacht Milliarden an sogenannten Transaktionskosten, Kosten also, die alleine dadurch entstehen, dass zwischen Bürgern, Wirtschaft und Staat geschäftliche Vereinbarungen getroffen werden.

Ein Wiederhersteller des Vertrauens, ein Vertrauensberater, hätte eigentlich nicht nur eine sozial und menschlich befriedigende Aufgabe vor sich, sondern auch ein äußerst lukratives Geschäftsfeld, denn die Senkung der Opportunitätskosten ist in allen europäischen Staaten schlichtweg die Alternative zu Kürzungen im Staatshaushalt und weiteren Steuerbelastungen.

Viele der momentan diskutierten Entwicklungen der bewegten Mitte haben tatsächlich viel mit Vertrauen bzw. mangelndem Vertrauen zu tun. Ein Thema, das mit traditioneller Politik nur schwer zu lösen sein wird, wie auch Telepolis bemerkt:

Vertrauen, so eine weitere Überlegung, könnte sicher einen gehörigen Gewinn an Lebensqualität bedeuten. Damit aber wäre Vertrauen nur noch eine Frage der individuellen Lebensgestaltung, nicht mehr eine Voraussetzung für das Funktionieren von Staat und Gesellschaft.

Egal ob lokale Währungen, Tauschkreise oder Zeitbanken. Ohne das nötige Vertrauen untereinander werden diese Systeme nicht funktionieren können. Gleichzeitig können sie aber auch Vertrauen schaffen und so zu gemeinschaftlichen und erfolgreichen Projekten werden.

Coworking Erfahrungsaustausch im Berliner Parlament

von Steffen Greschner am 14. Oktober 2011

Mit den Piraten ist erstmals die bewegte Mitte in die Parlamente eingezogen. Was das bedeutet, sieht man am besten, wenn man sich anschaut, was die “neuen Politiker” davor gemacht haben. Einer ist Simon Kowalewski, der in Berlin ein CoWorking-Space betrieben hat, bevor er ins Parlament gewählt wurde. Im Deskmag erklärt er, was die Politik von Erfahrungen mit flexibler Arbeit lernen kann:

Jeder (Piraten) Abgeordnete kann unabhängig vom Ort auf einer Wiki-Seite an den Themen mitarbeiten und über seine Wiki-Unterschrift mit Ja, Nein oder Enthaltung eine Entscheidung herbeiführen, so dass nicht alle Entscheidungen zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Woche in einer festen Fraktionssitzung abgestimmt werden müssen. Wir versuchen damit beweglicher zu sein, als es die anderen Parteien bisher waren.

Außerdem zielen wir auf eine flexiblere Sitzordnung im Parlament, die wir unpraktisch halten, weil wir als Abgeordnete auf vorgegebenen Sitzen Platz nehmen müssen. Als Abgeordneter arbeitet man an unterschiedlichen Themen mit unterschiedlichen Leuten in der Fraktion und fraktionsübergreifend. Da wäre es natürlich praktischer, wenn man sich auch im Parlament mit diesen Leuten thematisch oder nach Projekt zusammensetzen könnte und nicht nach einer starren Sitzordnung.

Aus seiner CoWorking Zeit hat Kowalski auch die Erfahrung, dass sich die bewegte Mitte immer stärker politisch engagiert, um sich die eigene Umwelt zu gestalten:

In der Berliner Coworking Szene kenne ich viele Leute, die politisch engagiert sind und für Parteien oder Fraktionen arbeiten oder eine Mitgliedschaft für eine bestimmte Partei besitzen. Wenn man Dinge ändern möchte, muss man damit auch in die Öffentlichkeit raus. Man muss man die Rahmenbedingungen der Gesellschaft ran, damit sie besser mit den eigenen Arbeits- und Lebenswelten harmonieren. Und in unserem System sind diese Veränderungen eigentlich nur über die politische Debatte möglich.

Seinen eigenen CoWorking Space kann er inzwischen leider nicht mehr weiter betreiben. Zeit und Geld sind dafür zu knapp. Wer Interesse hat, den Laden zu übernehmen, kann sich natürlich melden.

Das komplette Interview steht im Deskmag.

Occupy Wallstreet in rund 1.000 Städten Weltweit

von Steffen Greschner am 14. Oktober 2011

Was vor knapp zwei Wochen in New York angefangen hat, weitet sich langsam zu einer weltweiten Bewegung aus. Occupy Wallstreet hat den Nerv vieler Menschen getroffen. Wallstreet hin oder her. Das Slate-Magazin hat die Entwicklungen der letzten Woche zusammengefasst:

The Occupy Wall Street movement has begun to spread far beyond Zuccotti Park in Lower Manhattan, throwing down tarps and tents in San Francisco, Salt Lake City, Dublin, and many other cities around the world.

The Occupy movement has no central authority, preferring direct democracy and grassroots growth, so each group has chosen its site independently. Indeed, some cities have seen groups sprout up with differing opinions on where best to focus their efforts.

Die Initiatoren selbst feiern bereits, dass Samstag ein weltweiter Aktionstag stattfinden wird. Auch in Hamburg, FrankfurtBerlin und vielen anderen Städten sind Proteste angekündigt:

People power triumphs over Wall Street’s bid to end the protests mayor bloomberg and Brookfield Inc. back down on eviction world prepares for day of action Saturday October 15 in 950+ cities in 82 countries. We Are Winning!

Über mangelnde Unterstützung kann sich die Bewegung nicht beklagen. Über 300.000 Amerikaner haben innerhalb einer Woche eine Petition unterschrieben, die eine Räumung der Zeltstadt in New York verhindert hat.

Initiative S: Omnibus für Volksabstimmung auf Tour

von Steffen Greschner am 13. Oktober 2011

Der Omnibus für direkte Demokratie ist zwar keine Initiative aus dem Südwesten der Republik aber dort findet er gerade den richtigen Nährboden und die nötige Aufmerksamkeit in den Mainstream-Medien.

Die Initiatoren sehen in Baden-Württemberg gerade die große Chance das Thema Volksabstimmung zu entwickeln und voranzutreiben:

Die Konflikte um Stuttgart 21 haben gezeigt, dass die von der Regierung und dem Parlament verabschiedeten Abstimmungsrechte in der Praxis alle unbrauchbar sind. Der OMNIBUS hat Vorschläge im Gepäck, wie die Abstimmungsrechte für die Volksabstimmung und Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Baden-Württemberg fair geregelt werden können und sammelt dazu Unterschriften. Er informiert auch über das geplante Finanzreferendum der Landesregierung zum Kündigungsgesetz,  sowie über Möglichkeiten eines Bürgerentscheids in Stuttgart.

Das will die Mitte: Freiheit und coole Arbeitsplätze

von Steffen Greschner am 13. Oktober 2011

Das monatliche Gehalt spielt für viele längst nicht mehr die entscheidende Rolle. Was ist es dann, was Zufriedenheit im (Arbeits)Alltag bringt? Im Schweizer Start Up Blog Startwerk hat man sich einige Gedanken gemacht, wie junge Unternehmen Mitarbeiter finden, obwohl oder gerade weil sie nicht viel bezahlen können:

Startups können ihren Mitarbeitern keinen tollen Gehälter bieten – darum sollten sie anderswo punkten: Mit flexiblen Arbeitszeiten, guter Kommunikation, Lernmöglichkeiten und einem coolen Arbeitsplatz.

Was für Start Ups als Tipp gehandelt wird, um auch mit wenig Geld gute Leute zu finden, sollte auch für große Unternehmen gelten:

  • kollaboratives, verteiltes Arbeiten mit mobilem Zugriff
  • flexible tägliche Arbeitszeiten (aber nicht mehr als 40 Stunden pro Woche)
  • Möglichkeit für komprimierte Arbeitswochen und verlängerte Abwesenheit

Die Hoheit über die eigene Zeit steht heute und in Zukunft für viele an erster Stelle. Bei IBM hat man das erkannt und versucht sich mit einem extrem flexiblen Modell unabhängig von Raum und Zeit:

Durch mobiles Arbeiten und Zeitsouveränität schaffen wir Freiräume. Wir erhöhen die Effektivität schonen die Umwelt und sparen Zeit und Bürofläche”, sagt Heinz Liebmann, Leiter Personalprogramme bei IBM.

Gerade auch für Familien bringt dies Flexibilität. Heimarbeiter können zwischendurch ihre Kinder aus der Kita abholen, zum Sport gehen, die kranke Oma besuchen – und sich danach wieder an die Präsentation setzen.

Wir sparen beim Wachstum, dafür leben wir besser!

von Steffen Greschner am 12. Oktober 2011

Vorarlberg versucht sich schon länger zur nachhaltigen Region zu entwickeln und hat mit dem Ideenkanal schon einige interessante Projekte angestoßen.

Jetzt stellt man sich einem weiteren interessanten Thema: Wir sparen beim Wachstum, dafür leben wir besser! Das hat viel mit der Suche nach neuen Messgrößen zu tun. Die Initiatoren stellen dazu einige interessante Fragen:

Genügt es, sich darauf zu konzentrieren, dass die Wirtschaft wächst? Gibt es noch andere Faktoren, die man künftig stärker beachten sollte, wie z.B. Wohlbefinden und Lebensqualität? Ist es möglich, gesellschaftlichen Wohlstand und Stabilität auch ohne hohe Wachstumsraten zu sichern? Was ist eigentlich Fortschritt?

Das sind Fragen, die eine Gesellschaft in Zukunft bewegen werden. Über die Art der Umsetzung des Projektes lässt sich streiten. Die Diskussion wird zwar live ins Netz gestreamt, im Endeffekt diskutiert aber in kleiner, elitärer Kreis über ein Thema, das eigentlich alle angehen sollte:

Beim BürgerInnen-Rat treffen sich rund 15 zufällig ausgewählte Personen aus dem ganzen Land, um gemeinsam wichtige Zukunftsthemen zu erörtern. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben dabei die Chance, sich zu äußern und ihre jeweiligen Standpunkte darzustellen.

Mit an Bord ist die deutsche Denkwerk Zukunft Stiftung.

Buchtipp: Die komplette CoWorking-Szene in D/A/CH

von Steffen Greschner am 11. Oktober 2011

Eine kurze Meldung ist das Ebook von Joachim Zischke vom Zettelkurs auf jeden Fall wert: Alle CoWorking-Spaces in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf einen Blick, mit kurzen Beschreibungen und Hintergrundwissen zur allgemeinen Entwicklung (Leseprobe/ PDF):

Coworking Spaces. — Das Buch beschreibt aus verschiedenen Blickwinkeln, was Coworking bedeutet, für welche Zielgruppen Coworking interessant sein kann, was Coworking kostet und welche neuen Geschäftsmodelle durch Coworking entstehen können. — Für den interessierten Coworker liefert das Buch ein übersichtliches Verzeichnis der Coworking Spaces in Deutschland, Österreich und Schweiz, das auch einen schnellen Leistungs- und Preisvergleich ermöglicht.

Das komplette Ebook kann man direkt beim Zettelkurs für 12 Euro bestellen.