von Steffen Greschner am 25. August 2011
von Steffen Greschner am 24. August 2011
Das ZDF hat heute im Frühstücksfernsehen einen Beitrag über Coworking gesendet. Die Verbreitung von Coworking Spaces hat in den letzten 5-6 Jahren extrem zugenommen und bekommt großes Medienecho. Inzwischen gibt es alleine in Deutschland rund 70 Initiativen:
In 2009, Betahaus took the concept to a new level in terms of size and media attention. Since then, the market has boomed, with a total of 72 coworking spaces in Germany to date.
New coworking spaces popped up in all parts of the country – from small villages to big cities. In Berlin, three new spaces have opened in just the last two weeks, meaning the capital now offers 21 coworking spaces. Outside of Berlin, the cities of Hamburg, Leipzig, Munich and the North Rhine-Westphalia belt became further centers for this new form of working.
Viele Hintergründe, Themen, Statistiken und Infos zur aktuellen Entwicklung gibt es für den deutschprachigen Raum bei http://www.coworkingszene.de/. Über die Entwicklung der internationalen Szene gibt es viel Material bei http://www.deskmag.com/ oder im Blog von http://blog.coworking.com/.
von Steffen Greschner am 23. August 2011
Neue Wege zur aktiven (Mit)Gestaltung des Finanzsystems geht eine Initiative in Österreich. Die Demokratische Bank strebt eine Bank als gesellschaftliche (regional)Akteurin an:
Die Demokratische Bank ist der Herzschlag einer Region oder Gemeinde, sie versorgt die dort lebenden Menschen, Organisationen und Unternehmen mit Geld. Alle Menschen können an dieser Bank teilhaben unabhängig von Partei, Religionszugehörigkeit, Herkunft, ökonomischem Status oder Geschlecht. Die Demokratische Bank wirkt sozial ausgleichend und hilft bei der solidarischen Weiterentwicklung des gemeinsamen Lebensraumes.
Die Initiatoren gehen auch auf die Frage ein, was eine demokratische Bank eigentlich demokratisch macht und von einer “normalen” Genossenschaftsbank unterscheidet:
Die Mitglieder des Vereins zur Gründung und zur Förderung einer Demokratischen Bank bemühen sich auf mehreren Ebenen um Demokratie, Teilhabe und Transparenz. (…) Die breite Einbindung von Menschen mit ihren Gedanken und Vorschlägen macht die Demokratische Bank zu einer Bank für die Menschen. (…) Für Friedrich Wilhelm Raiffeisen war die Bank ein Projekt der Nächstenliebe. Jedoch haben sich die Spitzeninstitute seit Bestehen mehr oder weniger dem kapitalistischen Umfeld angepasst und operieren heute als Aktiengesellschaften unter der Prämisse von Gewinnmaximierung.
Von klassischen Zinszahlungen versucht man bei der Demokratischen Bank weitgehend Abstand zu nehmen, bzw. alternative Modelle mit einzubeziehen:
Das Spektrum der Vorschläge reicht von „marktnahen Sparzinsen“ und „Abgeltung der Inflation“ über „Abgeltung der Inflation nur bis zu einer gewissen Einlagenhöhe“ und „Zinsen nur gegen Antrag“ bis hin zu „zinsfrei“ und „Ersatzleistungen statt Zinsen“ (ausgezahlt z.B. in Regionalwährungen).
Der Grundgedanke zur demokratischen Bank wurde in enger Zusammenarbeit mit Attac entwickelt. Attac hat sich die Neuausrichtung der Finanzsysteme als eines der Hauptthemen der nächsten Zeit ausgeguckt.
von Steffen Greschner am 21. August 2011
Unter dem Titel 100x Neues Leben hat die Breuninger Stiftung aus Stuttgart einen Feldversuch zu “neuer Arbeit” ins Leben gerufen. Zielsetzung ist es, regional verwurzelt, neue Ideen für Arbeit und Leben zu entwickeln:
Im Kern geht es darum – ähnlich wie in der Diskussion um das Grundeinkommen – zu zeigen, dass Menschen für sich und ihre Region arbeiten wollen. Dafür muss aber der Begriff der Arbeit geweitet werden, und andere Formen wie zum Beispiel bürgerschaftliches Engagement oder soziale Dienstleistungen möglich sein.
Anders als bei klassischen Förderprogrammen, legt das Projekt ganz bewusst keine Messlatte und hat keine skalierbaren Erwartungen an die Teilnehmer:
Niemand kann versprechen, dass eine Idee am Ende ein sicherer Erfolg wird. Aber das Projekt bieten einen Raum, um Dinge ausprobieren zu können – und im besten Fall den einen fehlenden „Baustein“, den einen richtigen Kontakt oder den einen zündenden Gedanken, der es ermöglicht, neue Wege zu gehen.
Leider musste man bei der Breuninger Stiftung vom ursprünglichen Projektziel eines bedingungslosen Grundeinkommens Abstand nehmen. Vor zwei Jahren klang die Projektbeschreibung noch so:
Der Projektskizze zufolge sollen je 100 Teilnehmer an zwei deutschen Standorten für einen Zeitraum von zwei Jahren ein festes Grundeinkommen erhalten: monatlich 800 Euro netto, zuzüglich der Beiträge zur Sozialversicherung. Um möglichst aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten, hat die Projektgruppe zwei Testgebiete mit unterschiedlicher Wirtschaftskraft ausgewählt. Ein Feldversuch soll im wirtschaftlich starken Stuttgart, der andere in einer strukturschwächeren Gemeinde in Brandenburg stattfinden. Der Start des Projekts ist für Mitte 2010 vorgesehen.
Mehr Informationen bekommt man bei der Breuninger Stiftung, auf der Projektseite und in einem Positionspapier von 2010.
von Steffen Greschner am 20. August 2011
Bei den Wahlen für das Berliner Abgeordnetenhaus wird sich zeigen, ob die Gesellschaft der Hauptstadt bereit für neues ist. Anders als in Baden Württemberg, sind die Werte der Berliner Grünen nicht mehr nur im Höhenflug. Spannend ist an der Stelle aber die Entwicklung der Piratenpartei, die mit neuen Themen zu punkten versucht:
Die Piraten wollen nicht mehr als Ein-Themen-Partei gelten. Sie treten für einen gesetzlichen Mindestlohn ein und mittelfristig für das bedingungslose Grundeinkommen. Außerdem sprechen sie sich für eine Förderung genossenschaftlicher Wohnmodelle und gegen Wohnungsprivatisierungen aus.
Auch beim Thema direkte Demokratie wagen sich die Piraten in ihrem Programm für Berlin an neue Modelle heran:
Wir streben die Schaffung einer Online-Demokratieplattform an. Damit ist ein System gemeint, in dem alle Bürger die Möglichkeit haben, gemeinsam politische Entscheidungen zu treffen. Die Ergebnisse sollen zunächst in Volks- bzw. Bürgerentscheiden münden, in denen sie als verbindlich bestätigt werden.
Mit den Themen arbeiten sich die Piraten in Berlin langsam aus dem “Sonstige-Parteien-Balken” heraus:
Laut Infratest dimap erreicht die Partei derzeit einen Wähleranteil von 3 Prozent. Seit 11. August heben die Wahlforscher die Piratenpartei deshalb eigenständig hervor, anstatt sie unter “Sonstige” einzusortieren. Dem Meinungsforschungsinstituts Info zufolge erreichen die Piraten sogar 4,5 Prozent. Bei der letzten Bundestagswahl kam die Partei in Berlin auf 3,4 Prozent.
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von Steffen Greschner am 17. August 2011
Alternative Gesundheitssysteme sind in Deutschland bisher sehr überschaubar. Das bisher erfolgreichste Projekt ist die 1986 in der Schweiz gegründete und seit 1999 in Deutschland vertretene Artabana. Artabana beschreibt sich selbst als Zusammenschluss mündiger Menschen (die der Anthroposophie nicht abgeneigt sind):
ARTABANA Gemeinschaften schaffen die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die eine individuelle und persönliche Gesundheitspflege sowie die freie Wahl und Durchführung eines individuellen Gesundungsweges ermöglichen.
- Die Anerkennung des Individuums und seiner Einzigartigkeit, d.h. jeder Mensch erkrankt individuell und benötigt seinen eigenen Weg zur Gesundung.
- Erkrankung ist Ausdruck der Schicksalsgestaltung im persönlichen Lebensweg. Die Gemeinschaft enthält sich, ungebetene Ratschläge für die Erkrankungssituation des Einzelnen zu geben.
- Freie Wahl der behandelnden Personen, therapeutischen Einrichtungen und der Behandlungsmethoden bei Krankheit.
- Freiwillige finanzielle Unterstützung, damit der Zugang für die gewählten Behandlungsmethoden möglich wird.
- Die Möglichkeit, dass zwischen Patient und Therapeut (oder der therapeutischen Gemeinschaft einer Einrichtung) freie, individuelle wirtschaftliche Vereinbarungen geschaffen werden können.
Artabana hat in Deutschland rund 1.700 zahlende Mitglieder und ist extrem dezentral in lokalen Kleingruppen organisiert. Allerdings hat sich durch die Ausdehnung über komplett Deutschland eine Art freier Dachverband gebildet:
Heute gehören die lokalen Gemeinschaften entweder zum Artabana Deutschland e.V., einem Regionalverbund, oder beiden oder keinem dieser Zusammenschlüsse an. In ihrer jeweiligen Organisationsform sind sie gänzlich frei; der Zusammenhalt besteht in der Artabana-Idee. Die lokalen Gemeinschaften haben in der Regel nicht mehr als 15-20 Mitglieder, die sich untereinander kennen und so die Verbesserung der zwischenmenschlichen Beziehungen besser als in einem anonymen Verband möglich machen.
In einem Gutachten vom Mai 2011 wird die Artabana auf Gefahren durch steigende Leistungskosten untersucht und als gut aufgestellt bezeichnet. Dabei wird auch auf den wirtschaftlichen Aufbau der Artabana eingegangen, der sich aus Beiträgen in freiwilliger Höhe ergibt, die zu 60% dem Mitglied selbst und zu 40% der Solidargemeinschaft zur Verfügung stehen. Selbst bezeichnet sich die Artabana als sehr günstig wirtschaftend und wirtschaftlich überabgesichert:
Insgesamt stehen in der ARTABANA Deutschland Solidargemeinschaft e.V. derzeit Sicherheitsmittel von ca. 2,25 Mio. EUR über alle 135 Gruppen zur Verfügung. Der übergreifende Solidaritätsfonds hat ein Volumen von 100.000 EUR. Bei Notfällen können 20% der Solidareinlagen der lokalen Gruppen für den bundesweiten Solidaritätsfond eingezogen werden. Dadurch stehen kurzfristig weitere 450.000 EUR zur Verfügung.
Mehr Informationen findet man bei den zwei Artabana Verbänden in Deutschland oder der Schweiz.
von Steffen Greschner am 15. August 2011
Dass aus Krisen auch viel Bewegung entstehen kann, hat das ZDF-Hyperland-Blog dargestellt. In Griechenland entstehen momentan alternative Währungssysteme im Eiltempo:
Das Vertrauen in die Politik und Wirtschaft ist so gründlich erschüttert, dass es zum Volkssport geworden ist, klassische Wirtschaftskreisläufe wenn möglich zu umgehen. Auf Online-Plattformen floriert der Tauschhandel. Regionale Währungen und Zeitbanken ermöglichen ein Wirtschaften ohne den ungeliebten Euro.
Interessant und am beliebtesten ist dabei die virtuelle Alternativwährung Ovolos, die bereits seit Januar 2009 im Umlauf ist und zum Stand Juli 2010 rund 4.800 Mitglieder hat (das ZDF-Blog spricht aktuell von 5.000 Mitgliedern, was uns zu niedrig erscheint). Der Ovolos ist eine Webbasierte Währung:
The main idea of the Ovolos scheme is that the members can use the Ovolos currency (which is virtual, e.g. on the main computer system and on each member’s digital smart card) instead of euro currency for their transactions with members. To avoid abuses of the system by companies, they have not permitted double pricing, e.g. the items or services sold are priced and paid in Ovolos only.
Eine sehr umfangreiche und ausführliche Auflistung griechischer Tausch- und Alternativwährungen hat das International Journal of Community Curreny Research angefertigt (PDF).
von Steffen Greschner am 9. August 2011
Durch die Möglichkeiten im Internet entstehen immer mehr Projekte, die an den klassischen Medien vorbei, den (politischen)Diskurs in der Gesellschaft fördern.
Mit Fluegel.tv hat sich ein Stuttgarter (online)Fernsehsender etabliert, der sich politische Berichterstattung auf die Fahnen geschrieben hat:
“Es passiert zur Zeit so viel hier in Stuttgart”, sagt (fluegel.tv-Mitinitiator) Puttenat. Es gebe diverse Anfragen für Bürgerforen und Podiumsdiskussionen, die als Livestream übertragen werden sollten. Weiterhin soll es “ungehetzte” Interviews geben – ohne Sendezeitbeschränkung und nachträgliche Bearbeitung. Außerdem plant fluegel.tv mit anderen alternativen Medien wie der Wochenzeitung “Kontext” zusammenzuarbeiten.
Ursprünglich aus der Bewegung gegen Stuttgart21 entstanden, hat sich Fluegel.tv inzwischen als echtes Medium für den Stuttgarter Raum etabliert, das sich aus Überzeugungstätern rekrutiert. Viele davon im Hauptberuf Fernsehjournalisten:
Heute sind es mehr als 20 ehrenamtliche Mitarbeiter. Etwa die Hälfte davon sind im Hauptberuf Journalisten, zum Beispiel beim SWR. Das kommt der Professionalität der Berichterstattung zugute. Den Machern ist wichtig, dass sie unabhängig berichten – und über alle beteiligten Parteien informieren. Die technische Ausstattung wird über Spenden finanziert. Mittlerweile berichtet Fluegel.tv nicht mehr nur über den Protest gegen Stuttgart 21, sondern auch über die Proteste gegen das Atommülllager Gorleben oder die grün-rote Koalition im baden-württembergischen Landtag.
Der neueste Beitrag auf Fluegel.tv dreht sich allerdings um das alte Thema Stuttgart21. Trotzdem ein schönes Beispiel dafür, was die Macher laut eigener Aussage mit “Wir zeigen, was im Fernsehen nicht kommt” meinen – 1 Stunde 28 Minuten und 19 Sekunden spricht der Tübinger Oberbürgermeister ungeschnitten über S21. (Das Video wurde in den ersten fünf Tagen knapp 4.000 Mal aufgerufen):
Palmer zum Stresstest from fluegel.tv on Vimeo.
von Steffen Greschner am 8. August 2011
Reginalwährungen sind im Trend. Das große Vorbild ist für viele Initiativen der Chiemgauer. Eine weitere Währung soll 2012 hinzukommen: Der Grabfelder. Die Gemeinde Grabfeld liegt bei Google Maps zwar irgendwo unter den Wolken, hat aber eine aktive Initiative, die sich für den “Grabfelder” stark macht:
„Ein Regionalgeld kann die Grundlagen der Finanzwelt nicht verändern, aber es kann den Geldstrom, der aus der Region abfließt, eindämmen“, erklärte Picciani. 27 funktionierende Regionalgeldsysteme gebe es bereits, die Menschen kauften bewusster, beachteten die regionalen Anbieter und stärkten durch ihr Verhalten die heimische Wirtschaft.
Zum Start sind es oft gerade die regionalen Händler, die die Vorteile, die ihnen Regiogeld bieten kann, nicht auf Anhieb verstehen und den ersten Initiatven und Veranstaltungen die Unterstützung verwehren:
Mindestens 15 bis 20 teilnehmende Geschäfte, Handwerksbetriebe, Landwirte und sonstige Gewerbetreibende werden gebraucht, um anzufangen das Regionalgeld drucken zu lassen und in Umlauf zu bringen, informierte er. Umso bedauerlicher war es, dass die örtlichen (Grabfelder) Geschäftsleute, für die Picciani und das ganze Team sich einsetzen, an diesem Abend nur vereinzelt da waren.
Mehr dazu gibt es auf der Homepage vom Verein der Grabfelder e.v.
von Steffen Greschner am 5. August 2011
Über die Neuordnung der bestehenden Finanzsysteme wird viel Diskutiert. Parallel entwickelt sich seit einigen Jahren ein Trend zu alternativen Finanzsystemen.
Einige Bewegung kommt dabei auch aus den Reihen der Kirchen. Die evangelische Kirche hat den Initiativkreis 9,5 ins Leben gerufen, um ein christliches Finanzsystem zu entwickeln:
Eine Kirchenwährung könnte Symbolwirkung in der ganzen Gesellschaft haben, glaubt Thomas Ruster. “Funktioniert sie, steht das Zinsdogma der Wirtschaft insgesamt zur Debatte.” Tatsächlich wird in vielen Regionen Deutschlands mit zinsfreiem Regiogeld gezahlt, regionalem Geld, mit dem in beteiligten Geschäften und Institutionen gezahlt werden kann und dessen Wert durch eine Umlaufgebühr nach einigen Monaten wieder verfällt. “Geld ist nicht zum Horten da, sondern um damit etwas zu machen. Eine zinsfreie Währung bewirkt auch, dass Menschen sich kritisch mit Geld auseinandersetzen”, sagt Christoph Körner, der den Zschopautaler mitentwickelt hat.
Sehr ähnlich ist auch die Herangehensweise des islamischen Finanzsystems:
Ein Finanzsystem, das keine Zinsen kennt und sich auch in Bezug auf weitere Regelungen unterscheidet, ist das islamische Bankensystem, das seit Jahren am Wachsen ist und während der Finanzkrise kaum Verluste zu melden hatte. Die Unternehmer, die dieses System befolgt haben, stehen heute sogar gut dar. Praktisch ist das System zwar noch nicht sehr weit ausgebaut. Von der Theorie, die seit über 1400 Jahren besteht, können die angeschlagenen Volkswirtschaften jedoch einiges wertvolles übernehmen.
Ohne direkte Mitwirkung der Kirchen aber an sehr ähnlichen Werten orientiert, sind die inzwischen über 60 Regionalwährungen, die in den letzten Jahren immer beliebter werden.
Ein interessanter Aspekt ist dabei die Auswahl der optimalen Währungsräume.