Bürgermeister gibt Live-Interview auf Facebook

von Steffen Greschner am 11. Januar 2013

An einen spannenden Test im Umgang mit neuer Öffentlichkeit, wagt sich heute ein Bürgermeister aus dem süddeutschen Weinheim, über dessen Netzwerk-Aktivitäten wir vor einiger Zeit schon einmal berichtet haben.

Gemeinsam mit einem Lokalblog wird ab 16 Uhr ein Facebook-Interview geführt, bei dem sich der Bürgermeister nicht nur den Fragen eines Journalisten, sondern auch den Fragen interessierter Bürger stellt, wie auf der Facebook-Seite angekündigt wird:

wir probieren morgen mal etwas aus, was vielleicht keine “Weltneuheit” ist, aber mit Sicherheit sehr neu und innovativ: Ein Live-Interview auf Facebook mit einem Politiker/Amtsträger.

Wir haben für Freitag, den 11. Januar 2013, 16 Uhr mit dem Ersten Bürgermeister Dr. Thorsten Fetzner ein “Jahresinterview 2013″ verabredet.

Der Ablauf ist klassisch – wir fragen, der BM antwortet. Nach etwa 15-20 Minuten fordern wir die Mitleser auf, selbst Fragen an den BM zu stellen. Wer nicht selbst mit Namen auftauchen möchte, kann uns per email an redaktion@weinheimblog.de oder hier auf Facebook seine Fragen schicken, die wir dann stellvertretend als “Leserfrage” stellen.

Es sind oft gerade diese kleinen, ersten Schritte, die zeigen können, ob und wie so etwas funktioniert. Zumindest ist es schön zu beobachten, wie die Angst vor Veränderung, Stück für Stück der Neugier nach Neuem weicht.

E-Book: Celebrating the Commons – Gemeingüter 2013

von Steffen Greschner am 10. Januar 2013

Commons, also Gemeingüter, sind eines der Themen, die in den nächsten Jahren hoffentlich vermehrt an Fahrt aufnehmen. Im Kleinen können das gemeinschaftlich organisierte Stadtzentren und Lebensräume sein. Im großen geht es dabei nicht zuletzt um den Zugang zu Wissen und natürlichen Ressourcen.

Was sich hinter dem Gedanken der Gemeingüter verbirgt und wie kleine und große gemeinschaftlich entstandene Projekt aussehen können, zeigt das E-Book “Celebrating the Commons: People, Ideas, and Stories for a New Year.” des on the commons Magazins:

In dem E-Book werden in vielen kleinen Erfolgsgeschichten die Möglichkeiten und Chancen aufgezeigt, die sich durch Gemeinschaften ergeben.

Um tiefer ins Thema einzusteigen eignet sich noch immer das Buch “Commons – Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat” von Silke Helfrich, das gemeinsam mit der Heinrich Boell Stiftung herausgegeben wird.

 

Crowdfunding als regionaler Wirtschaftsmotor?

von Steffen Greschner am 8. Januar 2013

Eines der Themen in 2013 wird die weitere Entwicklung von Crowdfunding-Konzepten werden. Die Finanzierung durch Mikroinvestoren hat schon im letzten Jahr für einiges an Bewegung gesorgt.

Was uns besonders freut ist die lokale, bzw. regionale Verknüpfung des Konzeptes der Schwarmfinanzierung, wie sie Berlin Crowd umsetzt:

Bei Berlin Crowd hast Du die Möglichkeit, mit kleinen Beträgen in aufstrebende und innovative Berliner Startups zu investieren. Durch Deine Investition kannst Du langfristig am Unternehmenswachstum profitieren und wirst ein Teil der Berliner Startupszene.

Bereits Anfang letztes Jahr hatten wir “Mehr Wert Geld“, eine Initiative aus Österreich vorgestellt, die zwar weniger Hip auftritt aber konzeptionell einen ähnlichen Gedanken verfolgt:

Das Geld, das in der Region vorhanden ist, wird über die ausgegebenen MehrWert Sparbriefe auf einem Treuhandkonto gesammelt und steht für die Kreditvergabe für Projekte zur Verfügung, die einen MehrWert für unsere Regionen Steyr – Kirchdorf bringen.

Gerade in der dadurch entstehenden Verbundenheit steckt die Chance neue Ideen und Projekte anzuschieben und gleichzeitig Geld im regionalen Kreislauf zu halten. Privatmenschen, die in Jungunternehmer vor der eigenen Haustüre investieren, sind nicht nur Teilhaber, sondern gleichzeitig auch Kunden und Nutznieser der dadurch entstehenden Dienstleistungen.

In einem Gastartikel hatten wir die Möglichkeiten “regionaler Investmentfonds” schon einmal dargestellt.

Die Suche nach neuer Politik im Internet

von Steffen Greschner am 8. Januar 2013

Einen sehr ausführlichen Artikel zu den politischen Veränderungen durch das Internet hat The Economist veröffentlicht. (Everything is connected – Can internet activism turn into a real political movement?)

Spannend sind die Parallelen zwischen der grünen Bewegung in den 80ern und den Zielen der Netzaktivisten heute . Mit dem Unterschied, dass es heute nicht mehr darum geht neue (Umwelt)ministerien und Co zu erzwingen, sondern im Gegenteil vielmehr darum Bürokratie abzubauen und barrierefreie Zugänge zu schaffen und zu erhalten:

It is possible that the lasting influence of the net movement will be in providing new tools and tactics for people with other political aims. All political protest and novelty now has a social-media face, whether it be that of the tea party, the Occupy movement or the Muslim Brotherhood in Egypt; all seek the fast-multiplying effect that the internet can add to activism and uprisings. Experiments in “delegative democracy” like Liquid Feedback may rewire the way politics works from the inside, as well as speed things up. In Germany other parties are experimenting with such systems; something similar powers Italy’s populist Five Star Movement.

Anders als in den 80ern geht es heute darum Politik und demokratische Beteiligung neu zu denken, anstatt sich innerhalb des politischen Parteiensystems einen Platz zu erkämpfen. Welche Probleme das mit sich bringt, erfahren vor allem die Piraten in der letzten Zeit.

Wie der US-Wahlkampf das digitale Zeitalter erreichte

von Steffen Greschner am 4. Januar 2013

Eigentlich ist das Thema fast zu groß für uns. Konzentrieren wir uns doch meist eher auf Veränderungen auf regionaler Ebene. Und trotzdem: der “Inside The Cave Report” über den letzten US-Wahlkampf ist zu spannend, um ihn unter den Tisch fallen zu lassen.

In der sehr ausführlichen Analyse über das Obama-Wahlkampfteam geht es um die Werkzeuge und Methoden mit den der Wahlkampf ins digitale Zeitalter getragen wurde:

Traditional forms of voter contact are starting to become obsolete. From 2008 to 2012, the Obama organization’s completion rates on phones dropped from 23% to 16%. And just buying broadcast in a fragmented media environment where the choices include VOD, Netflix and YouTube… well, it just doesn’t work anymore.

Will landline phones even be around in a few cycles? And what’s going to happen to the U.S. Postal Service?

You might even say that traditional campaign methods are about to fall off a cliff.

Die Themen sind teilweise leider sehr technisch aufbereitet und der komplett unbedarfte wird sich etwas Zeit nehmen müssen, um richtig durchzublicken.

Es zeigt sich aber auf welcher Stufe man in den USA bereits angekommen ist, um weiterhin den Kontakt zu den potentiellen Wählern aufrechtzuerhalten.

Den kompletten Report gibt’s hier.

Mehr Vertrauen oder direkt in die Transparenzfalle?

von Steffen Greschner am 2. Januar 2013

Ich habe über die Feiertage einige Texte von Byung-Chul Han gelesen. Han hat sich der Transparenzkritik verschrieben (Buchtipp: Transparenzgesellschaft). Und dabei einige ganz spannende Gedanken.

In einem Interview mit dem SZ-Magazin erklärt Han, warum er in zunehmender Transparenz, keinen Gewinn, sondern vor allem die Gefahr des gesellschaftlichen Vertrauensverlustes sieht:

Das Verlangen nach Transparenz wird nur dort laut, wo Vertrauen schwindet. Wir erleben gerade, dass die Gesellschaft des Vertrauens vorbei ist. Stattdessen setzen wir auf Transparenz, mit der Folge, dass wir uns immer weiter von einer Gesellschaft des Vertrauens wegbewegen, weil Transparenz immer noch mehr Transparenz und Kontrolle notwendig macht.

Auch brandeins hat mit Han vor über einem Jahr ein langes Interview geführt:

Der Ruf nach Transparenz deutet vor allem auf die heutige Vertrauenskrise hin. In einer kleinen Gemeinschaft, in der jeder jeden kennt, herrscht Gewissheit. Die Frage nach Vertrauen stellt sich erst in einer größeren Gesellschaft, in der aufgrund ihrer Komplexität keine unmittelbare Gewissheit möglich ist.

Das Vertrauen ist ein Zustand zwischen Wissen und Nichtwissen. Es ermöglicht eine Handlung trotz des Nichtwissens. Gerade da, wo das Vertrauen schwindet, wird der Ruf nach mehr Transparenz laut. Da aber kein Vertrauen mehr da ist, wird sie allein durch Kontrolle erreicht.

Der Spiegel nannte Byung-Chul Han vor zwei Jahren schonmal den Philosoph der schlechten Laune und ein bisschen was ist da auch dran.

Und trotzdem bringen die Thesen und Sichtweisen einen stellenweise zum Nachdenken. Auf der einen Seite entstehen durch Netzwerke immer neue Möglichkeiten in Gemeinschaften etwas zu entwickeln.

Auf der anderen Seite sollte dabei aber auch nicht vergessen werden, dass gerade gegenseitiges Vertrauen die Grundlage für gemeinschaftlichen Erfolg ist. (Buchtipps: Wie Gemeinschaften Werte schaffen)

Die Frage, die sich dabei stellt: Inwieweit stehen sich Vertrauen und der zunehmende Ruf nach Transparenz entgegen?

Der ehemalige Verfassungsrichter und vor einigen Jahren als Finanzminister vorgeschlagene Paul Kirchhof hat sich sehr spannend und wohlwollend zu einem Bedingungslosen Grundeinkommen als vollwertige Systemalternative geäußert:


“Dieses Projekt ist finanziell nicht so dramatisch, wenn man sieht, dass es das ganze Sozialversicherungssystem mit einem Jahresvolumen von mehr als 600 Milliarden Euro jährlich auffangen soll. Dann ist das mit der Finanzierung nicht so weit her.”

“Es ist auf jeden Fall ein Modell, dass in der Realität unseres Sozial- und Sozialsicherungssystems eine unglaubliche Einfachheit reinbringt.”

“Dieses Modell ist wohl nicht fertig. Es ist auch nicht mit “Richtig” oder “Falsch” zu beantworten. Aber aus meiner Sicht verdient es eine ernstere Diskussion als im Moment mit dem Argument: Nicht finanzierbar.”

“Ich meine es ist ein Vorschlag, den man ernsthaft bedenken sollte. Ich habe ihn noch nicht zu Ende gedacht. Ob das Modell am Ende Realität wird, ist eine andere Frage, aber man kann viel daraus lernen.”

Kritisch sieht Kirchhof vor allem die Motivationsfrage für Menschen mit geringen Einkommen, die durch ein Grundeinkommen weniger Anreiz zur Erwerbsarbeit hätten.

Was sich im letzten Jahr bei den Debatten und Sichtweisen getan hat, ist zumindest beachtlich. Man darf gespannt sein, ob der Gedanke in 2013 die breite öffentliche Debatte erreicht.

Buchtipps: Wie Gemeinschaften Werte schaffen

von Jochen Krisch am 30. Dezember 2012

Wir wollen das Jahr nicht beenden, ohne einen Hinweis auf eines der spannendsten Bücher dieses Jahres – “Wie Gemeinschaften Werte schaffen” von Alexander Dill. Darin befasst er sich auf gut lesbare Art und Weise mit dem Thema “Wie Sozialkapital entsteht”:

“Alexander Dill wirft mit seinem Buch die Frage auf, wie jenseits von Kapitalismus und Finanzkapital Lebensqualität geschaffen werden kann. Seine Antwort darauf ist die Entwicklung von Sozialkapital.

An einer Reihe von Beispielen erläutert er, wie Sozialkapital von Gemeinschaften auf unterschiedliche Arten genutzt werden kann und welche Ansätze es gibt, dieses zu messen.”

Die argumentative Qualität des Buches ist durchaus schwankend, aber die Beispiele sind – auch und gerade im kommunalen Kontext – sehr gut und anschaulich gewählt und vermitteln gut seinen Punkt:

“Wie aber wurden Orte wie Kitzbühel, St. Moritz und Tegernsee zu Treffpunkten der Reichen mit Grundstückspreisen wie in den Bestlagen der Großstädte?

Tourismus gab und gibt es schließlich überall. Und dass die meist verrregneten und schattigen Alpenorte prädestiniert sind für die Beherbung der anspruchsvollen Klientel, kann wohl kaum behauptet werden.”

Die wachsende Bedeutung von Kommunen und Gemeinden unterstreicht auch Systemkritiker Nassim Nicholas Taleb in seinem neuesten Buch Antifragilität (“Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen”), das im Februar auch auf deutsch erscheint. Er beschreibt darin, warum bestimmte Institutionen, Systeme und Menschen von unvorhersehbaren Entwicklungen und Ereignissen profitieren, (viele) andere hingegen nicht.

Schon jetzt freuen wir uns auf Kommunale Intelligenz (“Potenzialentfaltung in Städten und Gemeinden”) von Gerald Hüther, das im Frühjahr erscheint.

Crowdfunding: Gemeinschaft bietet mehr, als nur Geld

von Steffen Greschner am 19. Dezember 2012

Als wir gestern über Leaserad geschrieben haben, hat uns vor allem das Interview in Crodinvestor24 gefallen. Dort wird sehr schön deutlich, warum sich das Unternehmen für eine Finanzierung über Seedmatch, anstatt für eine klassische Bankfinanzierung entschieden hat.

Die Gründer sehen in der Schwarmfinanzierung nicht nur das Geld, sondern vor allem die Gemeinschaft dahinter als wichtig für Ihren Erfolg, wie sie selbst sagen:

An erster Stelle sind für uns sicher die Kontakte zu potenziellen Kunden für unser Mitarbeiter-Leasingmodell JobRad zu nennen. Hier kamen doch einige Kontakte zu großen Unternehmen bis hin zu DAX-Konzernen zu Stande, die im nächsten Jahr JobRad mit uns umsetzen wollen. Aber auch das konkrete, teils kritische Feedback ist für uns hilfreich, weil wir uns immer verbessern können und auch wollen.

Wir sind begeistert, wie motiviert sich einige Experten aus unserer Crowd mit ihrem Fachwissen einbringen, vermutlich können wir auch in Zukunft noch ganz stark von dieser Basis profitieren. Nicht zuletzt macht der Kontakt auch einfach Spaß und ermutigt uns auf unserem Weg, das Verkehrsverhalten in Deutschland ein bisschen zu verändern.

Die Erfahrungen, die in diesem Fall ein Unternehmen gesammelt hat, lassen sich auch auf öffentliche Projekte übernehmen. Egal, ob die Einbeziehung einer größeren Gruppe über finanzielle Beteiligung oder in Form von Gemeingütern o.ä. stattfindet. Das gesammelte Wissen und die Gemeinschaft, die dadurch entsteht, kann eine spannende Eigendynamik entwickeln.

Wie StartUps die Gesellschaft umkrempeln können

von Steffen Greschner am 18. Dezember 2012

Erst vor einigen Monaten hat ein junges StartUp das Verbindungsmonopol der Bahn zu Fall gebracht und einen komplett neuen Markt geschaffen.

Jetzt ist es wieder ein kleines StartUp, das für weitreichende Veränderung sorgen könnte. Die Leaserad GmbH hat nach 4 Jahren Kampf erreicht, dass Fahrräder steuerlich als Firmenfahrzeug anerkannt werden, wie WSJ.de schreibt:

Denn bis vor kurzem dürften Firmenfahrräder anders als Firmenkraftfahrzeuge, die von der Steuer abgesetzt werden, nicht privat genutzt werden. Seit dem 23. November haben die Länder mit Zustimmung des Bundes einen Erlass veröffentlicht, nachdem auch Fahrräder das sogenannte Dienstwagenprivileg genießen – rückwirkend ab dem 1.1.2012. „Eigenlob stinkt ja, wie man so schön sagt – aber ich würde mal sagen, ohne uns gäbe es diese Regelung nicht in Deutschland”, sagt der Geschäftsführer.

Hinter der Meldung steckt ziemlich viel von den Veränderungen, die wir hier immer wieder beschreiben. Die Leaserad GmbH wurde beispielsweise durch Crowdinvestment, statt einer Bank finanziert.

Nicht zuletzt wird es kaum ein Zufall sein, dass ein grünes Verkehrskonzept gerade aus Freiburg kommt. Der ersten deutschen Großstadt, die bereits vor zehn Jahren einen grünen Bürgermeister hatte.